| Der Umzug zum Tag der Arbeit vom Samstag in Thun stand ganz im Zeichen der AHV-Revision. Die Kundgebung verlief jedoch nicht ohne Zwischenfälle: Die «Raumfänger» demonstrierten friedlich unbewilligt. Chantal Desbiolles «Hände weg von der AHV» - so lautete der diesjährige Slogan des 1.-Mai-Umzuges vom Samstag in Thun. Gegen 200 Personen hatten sich auf dem Vorplatz der Kunsteisbahn eingefunden, darunter auch die Musikvereine Thun und Steffisburg. Die Marschroute war dieselbe wie vergangenes Jahr, einzig die Gerberngasse musste wegen Bauarbeiten umgangen werden. Stattdessen führte der Marsch unter dem Patronat des SP-Regionalverbands und des Gewerkschaftsbunds Thun durch die Untere Hauptgasse. «Falsche Versprechen» Themen boten in erster Linie die AHV-Revision und das Steuerpaket der kommenden Volksabstimmung. Von «falschen Versprechen und echten Problemen» rund um den 16. Mai sprach Gastrednerin Hildegard Fässler auf dem Rathausplatz. «Die AHV ist eine Erfolgsgeschichte», meinte die SP-Nationalrätin. «Sie wurde bereits zehnmal revidiert, damit auch zehnmal verbessert», erklärte sie. Klar und direkt deshalb ihre Forderung: «Rettet die AHV vor den Angstmachern.» Auch das Steuerpaket sei ein falsches Versprechen. Die 1500 Millionen Franken würden auf den Rücken der Falschen eingespart. «Zwei Drittel dieses Betrags zieht man einfach bei den 5 Prozent der Reichsten nicht mehr ein», bilanzierte Fässler. Aber nicht nur die Reichen seien im Vorteil. «40 Prozent, das entspricht 600 Millionen, sparen kinderlose Paare ein», erklärte sie und nannte dies «Familienpolitik à la CVP». Diskutiert und polarisiert Auch Francesco Miceli vom Patronato INCA/CGIL wandte sich an die lauschende Menge auf dem Rathausplatz. Er trug der Mehrsprachigkeit der Schweiz Rechnung und trug seine Rede grösstenteils auf Italienisch vor. Die Co-Präsidentin des Gewerkschaftsbundes Thun, Gabriela Bernet-Moser, belegte anhand eines Rechtsstreits aus dem Jahre 1948, dass der Tag der Arbeit vonnöten sei. Er habe von jeher für kontroverse Diskussionen gesorgt und polarisiert. «Und dann kommt jemand wie Grossrat Thomas Fuchs mit einer Motion zur Abschaffung der 1. -Mai-Feier. . . », fügte sie an und erntete Lacher. Bei der anschliessenden Ansage wurde Marcel Schenk, Präsident des SP-Regionalverbands, unterbrochen. Trotz seiner deutlichen Aussage, die Veranstalter des 1. -Mai-Umzuges würden sich in jeglicher Weise von den Aktionen der Gruppe «Raumfänger» distanzieren, begaben diese sich auf die Bühne. Mit der Forderung «Wir wollen unsere Träume leben», versuchten sich die jungen Männer auf der Bühne Gehör zu verschaffen. Die Buhrufe versiegten erst zögerlich, dann aber ernteten die Jungen mit dem Votum «Drei-mal Nein am 16. Mai» sogar Applaus. «Raumfänger» mit Demo Obschon die Stadt Thun das Gesuch um eine «Demonstration für mehr Freiräume in der Thuner Innenstadt» nicht bewilligte (vgl. Ausgabe vom Samstag), sprach sich die Gruppierung «Raumfänger» bereits im Vorfeld trotzdem für eine Durchführung aus. So fanden sich gegen 20 Jugendliche zum 1. -Mai-Umzug beim Grabengut ein und schlossen sich der Kundgebung an. Das OK liess sie gewähren. «Wir haben uns überlegt, sie wegzuweisen», sagt Marcel Schenk, Präsident des SP-Regionalverbands. «Aber das hätte bloss Unruhe gegeben», vermutet er. «Wir haben Ziel erreicht» Nach der Ansprache auf dem Rathausplatz, von der sich die Veranstalter des 1. -Mai-Umzugs distanzierten, wurden sie von Erwin Rohrbach, Chef der Polizei Thun, aufgefordert, zu gehen. Die «Raumfänger» wollten trotzdem nicht von einem Protestzug ablassen, wurden darauf in der Unteren Hauptgasse von Polizeibeamten aufgehalten. Um die Situation nicht zu verschärfen, liess Rohrbach die jungen Demonstranten nach kurzer Zeit zum Aarefeldplatz hin ziehen, was sie dann friedlich taten. «Ich bin froh», gestand Polizeivorsteher Heinz Leuenberger gestern noch per Pressemitteilung, «dass wir unsere Zielsetzung erreicht haben: keine Sachschäden in Thun.»u |