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Offener Brief Basislager
Mittwoch, den 29. Juni 2005 um 08:24 Uhr
Sehr geehrte Stadtbehören
Sehr geehrte Medienschaffende
Und vor allem: sehr geehrte BewohnerInnen der Stadt Thun
Wir richten diesen offenen Brief an Sie, um Klarheit zu schaffen: Denn vom 8 bis 10. Juli
findet in Thun, wie bereits zu erfahren war, das Basislager statt.
Wir wollen mit diesem Camp damit anfangen, uns erneut Raum zu nehmen
um darin Spass zu haben und unsere Ideen und Träume auszuleben. Das
Camp wird ein Kunterbunt verschiedenster Aktivitäten beinhalten. Es
werden Workshops zu Themen wie Siebdruck, Transparente malen,
Skulpturen aus Gips basteln und Vieles mehr stattfinden. Am Abend wird
Feiern angesagt sein: zu der Musik einer Band oder eines DJ wird
getanzt oder auch einfach nur zugehört werden. In den hoffentlich lauen
Sommerabenden wird noch bis spät in die Nacht darüber diskutiert, wie
eine andere, spassigere und gerechtere Welt aussehen könnte. Ein
bisschen mehr wie die Oase, die wir gerade geschaffen haben in der
Wüste der Ordnung.
Doch wir wollen nicht einfach nur eine Oase sein. Und wir wollen auch
keine Insel sein, isoliert vom Rest der Welt. Wir wissen, dass
Unzählige mit gleichen Sorgen zu kämpfen haben: Vieles wird dem Profit
einiger Weniger geopfert und uns wird weisgemacht, dies müsse so sein,
es sei zum Wohle Aller. Dabei werden Menschen nur noch in zwei Rollen
akzeptiert als ArbeiterIn oder als KonsumentIn. Dies ist auch in Thun
sichtbar: Alles was nicht in dieses Raster passt wird zerstört,
verdrängt und vertrieben. Ein Schulhaus, eine Halfpipe und ein kleiner
Park mussten einem Supermarkt, überteuerten Wohnungen und Büros
weichen. Und immer weiter entstehen unnötige Luxusprojekte, wie ein
Stadion mit Einkaufszentrum, ein zusätzliches Kongresszentrum mit einem
Luxushotel, und überteuerte Wohnungen und Büroräume. Unabhängige
Kultur- und Begegnungsräume müssen dem weichen. Sei es weil sie nicht
ins saubere Stadtbild passen, oder weil sie schlicht und einfach nicht
rentieren. Und auch im sozial!
en Bereich wird gekürzt: den Schulen wird Geld gestrichen,
Anlaufstellen werden verworfen. Hauptsache es werden, wie in den
Stadtentwicklungszielen festgelegt, reiche SteuerzahlerInnen angezogen
und das Budget ist ausgeglichen. Die Liste könnte fast endlos
weitergehen.
Deshalb werden wir nicht nur in unserem Camp sitzen. Wir werden in die
Stadt überfluten und dort mit den verschiedensten Aktionen auf unsere
Anliegen und Missstände aufmerksam machen. Bunt und vielfältig sollen
sie sein. So wie auch wir es sind, und wie wir uns diese Stadt � und
eigentlich alle Städte � wünschen.
Doch was in Thun passiert, ist auch schweiz-, europaweit und gar global
zu beobachten: Einzig die Konzerne und Mächtigen profitieren weiterhin,
sei es von Billiglöhnen in der dritten Welt, der verschlechterung der
Arbeitsbedingungen und Verdrängung der Menschen in schlechte
Lebenslagen in Europa und den in USA, der Ausbeutung von Bodenschätzen
und gar von Kriegen und Terrorismus. Öffentliche Einrichtungen, wie
Spitäler, Schulen, Wasserversorgung, Elektrizität werden privatisiert.
In der Woche vor dem Basiscamp, findet in einem, etwas nördlicher
gelegenen, Land ein anderes Treffen statt: Der G-8 Gipfel. Die
Präsidenten der acht führenden Staaten treffen sich dort um dafür zu
Sorgen das alles so bleibt, dass weiter öffentliche Güter privatisiert,
Löhne gekürzt und Bodenschätze ausgebeutet werden können. So werden wir
mit verschiedenen Aktionen versuchen, ihre Macht zumindest in den
Köpfen der Leute ein bisschen zu brechen. Zu zeigen, dass
Handlungsbedarf besteht, damit früher oder später diese Herren nicht
mehr die acht Mächtigsten dieser Welt sind, und wir fähig sind, selbst
unsere Leben zu gestalten.
Das Camp ist ein friedlicher Anlass. Wir wollen bunt und laut sein, so
unseren Protest kund tun und unsere Perspektiven entwickeln und
vermitteln. Dazu ist Gewalt hinderlich und schädlich. Wir haben für das
Camp keine Bewilligung eingeholt und werden dies auch nicht tun. Denn
eine Bewilligung würde niemals möglich sein. Die Paragraphen würden uns
nur so um die Ohren gehauen und wenn alles gut geht, könnte das Camp
dann in zehn Jahren stattfinden. Mit entsprechenden Auflagen versteht
sich. Dennoch sind wir zu einem Dialog mit den Stadtbehörden bereit. Es
ist sowohl in unserem Interesse, als auch in demjenigen der Behörden,
dass das Camp friedlich über die Bühne geht. Über ein Stattfinden oder
ein Nichtstattfinden, wird nicht diskutiert. Zu diesem Zweck werden
unbeteiligte Vermittler eingeschaltet, welche im Laufe der Woche mit
den zuständigen Behörden und Medien in Kontakt treten.
Wir hoffen auf einen konstruktiven Dialog, welcher die Interessen
beider Parteien sichert und eine einseitige Eskalation von Seiten der
Stadt verhindert.
Mit freundlichen Grüssen verbleiben wir:
Basislager OK