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Kritik an Grosskonzernen

Mit «Public Eye Awards» kämpfen Welthandelskritiker für eine sozial gerechtere und nachhaltigere Weltwirtschaft Parallel zum Weltwirtschaftsforum (WEF) wird in Davos wiederum der Preis für unverantwortliches Konzernverhal-ten vergeben. Am Pranger stehen unter anderen Novartis und die Ruag, als Lichtblick ist Coop im Rennen.
 
Wenn sich Ende Januar die Weltwirtschaftselite in Davos zu ihrem Jahrestreffen versammelt, sind die Kritiker nicht weit. Pro Natura und die Erklärung von Bern (EvB) veranstalten heuer wiederum ihr «Public Eye», die laut Eigenwerbung «zeitgleiche und kritische Alternative zum WEF». Der Anlass ist auf den Eröffnungstag des Weltwirtschaftsforums (24. Januar) terminiert und steht ganz im Zeichen der «Public Eye Awards», der Auszeichnungen für «besonders unverantwortliches Konzernverhalten», wie die Veranstalter gestern vor den Medien in Bern bekannt gaben. Im Wettbewerb um mediale Aufmerksamkeit setzen die Organisatoren auf die Zugkraft bekannter Namen sowohl aus der Unterhaltungsindustrie als auch aus der Wirtschaft. So wird etwa Jörg Sambeth als Eröffnungsredner auftreten. Der frühere technische Direktor beim Aroma- und Riechstoffhersteller Givaudan wurde für die verheerenden Folgen des Chemieunfalls in der Fabrik Icmesa im italienischen Seveso verantwortlich gemacht. Viele Jahre später schrieb er ein Buch, worin er den «grauenhaften Zustand» der Fabrik beschrieb und die fehlende Bereitschaft im Mutterhaus Hofmann-La Roche bemängelte, diese zu beheben. Für die «Public Eye»-Veranstalter steht Sambeth mit seinem Einblick in die Funktionsweise einer Chemiefirma aus den 70er-Jahren daher als Symbolfigur für die fehlende Verantwortung in den globalen Firmenzentralen. Rapper aus Bern Moderiert wird der Anlass vom Kabarettisten Patrick Frey. Aus Berner Sicht ist der Auftritt des Mundart-Rappers Greis erwähnenswert. Er wird in Davos für die musikalische Unterhaltung zuständig sein und soll dabei für «intelligent-provokative Zwischentöne» sorgen. Ihm wird dies nicht zuletzt wegen seines Auftritts gegen das revidierte Asyl- und das neue Ausländergesetz vom vergangenen Herbst zugetraut. Damals hatte er zusammen mit anderen Schweizer Bands eine CD mit Protestsongs herausgegeben. Bei der gestrigen Medienveranstaltung hielt sich Greis noch zurück. Er sprach dem WEF lediglich jede Daseinsberechtigung ab und kündigte an, dass die Demonstrationen und dezentralen Veranstaltungen «ihren Höhepunkt» noch nicht erreicht hätten. Im Zentrum des diesjährigen «Public Eye» steht wiederum die Kritik «an der rein profitorientierten Globalisierung, wie sie massgeblich von den Mitgliedern des WEF, den transnationalen Konzernen, vorangetrieben wird». Mit der Auszeichnung für besonders unverantwortliches Konzernverhalten wollen die Veranstalter nicht nur die «schmutzige Kehrseite der Globalisierungsmedaille» zeigen, sondern auch für eine «sozial gerechtere und ökologisch nachhaltigere Weltwirtschaft» kämpfen, wie EvB-Mediensprecher Oliver Classen betonte. Anwärter auf den «Public Eye Global Award» sind Bridgestone, Ikea und Trafigura. Der japanische Reifenhersteller Bridgestone betreibe laut Classen im westafrikanischen Liberia seit den 20er-Jahren eine der weltgrössten Gummiplantagen, auf der heute noch sklavereiähnliche Zustände herrschten. Der Möbelmulti Ikea wiederum betreibe mit einem Geflecht aus Stiftungen, Holdings und Offshore-Unternehmen seit Jahren «systematische Steuervermeidung». Die von Luzern aus operierende niederländische Rohstoffhändlerin Trafigura geriet in die Schlagzeilen, als eines ihrer Schiffe letzten August in der Elfenbeinküste illegal Giftmüll entlud. Der erstmals zur Verleihung stehende «Public Eye Swiss Award» für Firmen mit Schweizer Sitz geht entweder an die Ruag, an Novartis oder an Xstrata. Während der Rüstungskonzern Ruag wegen seiner Munitionsproduktion am Pranger stehe, sei der Pharmariese Novartis wegen des Kampfes gegen das indische Patentgesetz negativ aufgefallen. Damit würde der Zugang zu bezahlbaren Generika eingeschränkt, was laut Classen viele Krebskranke das Leben kosten werde. Coop als positives Beispiel Die fünfköpfige Jury, bestehend aus Mitgliedern der Erklärung von Bern und Pro Natura, will aber auch positive Unternehmensleistungen auszeichnen. Mit Coop steht dabei der zweitgrösste Detailhändler auf der Liste der Nominierten. Mit seinem jahrelangen Engagement habe der Grossverteiler laut Pro-Natura-Projektleiterin Sonja Ribi massgeblich dazu beigetragen, dass die Zahl der Bio-Bauernhöfe von 1000 im Jahre 1993 auf nunmehr 6000 angestiegen sei. Sozialforum in Nairobi Rund 35 schweizerische Persönlichkeiten aus Politik, von Hilfswerken, Gewerkschaften und Medien werden am 7. Weltsozialforum vom 20. bis 25. Januar in Nairobi (Kenia) teilnehmen. Auch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) des Bundes wird mit zwei Vertretern anwesend sein. Die Schweizer Delegation wird bereits am kommenden Montag nach Nairobi reisen und die Zeit vor dem Forum für Treffen mit kenianischen Fachleuten und Aktivisten nutzen. Auf dem Programm stehen Besuche von Projekten und Programmen, die von Schweizer Hilfswerken unterstützt werden. Am Weltsozialforum, dem weltweit wichtigsten Treffen der Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen, erwarten die Organisatoren rund 100 000 Teilnehmer aus mehr als 100 Ländern. (ap)