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Aktivisten ziehen aus besetztem Schulhaus ab
Freitag, den 08. Januar 2010 um 09:15 Uhr
Aktivisten haben das am Donnerstagabend besetzte Stadtzürcher Schulhaus Wengi noch in der gleichen Nacht verlassen. Nach Verhandlungen mit der Stadtpolizei und Vertretern der Fachschule Viventa seien die Besetzer gegen 0.50 Uhr abgezogen.
Dies sagte der Sprecher des Schul- und Sportdepartementes, Marc Caprez, auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Da die Besetzer nur geringen Schaden anrichteten, werde auf eine Anzeige verzichtet.
Die Aktivisten hatten das im Stadtzentrum gelegene abgeriegelte Schulhaus am Donnerstagabend besetzt. Nach Angaben der Besetzer befanden sich 80 Menschen in dem Gebäude. Die Besetzung sei eine Antwort auf die gleichentags erfolgte Räumung einer Liegenschaft in Zürich-Unterstrass, teilten die Besetzer in einem Communiqué mit.
Dort hatte die «Autonome Schule Zürich» (ASZ) seit vergangenem April Deutsch- und Computerkurse für Sans-Papiers durchgeführt. Die Stadt tolerierte die Besetzung zunächst, am Donnerstag räumte die Polizei jedoch das Gebäude.
Als Grund nannten die Behörden, dass die Besetzer eine illegale Stromleitung gezogen hätten. Diese sei eine Gefahr für die Schüler eines nahegelegenen Schulhauses gewesen. Bereits habe ein Mensch durch die nicht fachmännisch gelegte Leitung einen Stromschlag erlitten. Das Gebäude soll zudem im kommenden Sommer abgerissen und durch einen Neubau für einen Kinderhort ersetzt werden.
Die ASZ hatte nach der Räumung den Behörden vorgeworfen, sich nicht an Abmachungen gehalten zu haben. Die Stadt habe im September eine provisorische Stromleitung versprochen; es sei aber nichts passiert. Die Räumung verurteilte die ASZ als «unverhältnismässig und in keiner Weise gerechtfertigt».
In einem Communiqué vom Donnerstagabend forderten die Besetzer, die Stadt Zürich solle die leere Schule Wengi der ASZ überlassen, damit diese ihre Kurse für Sans-Papiers fortsetzen könne. Gemäss Caprez wird das Schulhaus Wengi in den nächsten Monaten instand gestellt. Nach den Sommerferien soll dort die Fachschule Viventa einziehen.(sda)
Medienmitteliung der Autonomen Schule Zürich
Heute Morgen, 7. Januar 2010, um 9:00 Uhr wurde im Rahmen einer polizeilichen „Bildungsoffensive“ das Schulhaus der Autonomen Schule Zürich (ASZ) an der Ringstrasse 57 in Zürich Unterstrass unangekündigt und gewaltsam geräumt. Ein Grossaufgebot von circa 30 Polizisten, z. T. in voller Kampfmontur, drang in das Gebäude ein, umstellte es anschliessend und sperrte das Gelände ab. Ein Abrisskommando räumte das Gebäude aus und demontierte die Fenster des Pavillons. Verhaftungen fanden keine statt. Innert kürzester Zeit versammelten sich vor dem abgesperrten Gebäude Dutzende Sympathisanten, weitere Polizisten und Medienvertreter.
Mit dieser repressiven Aktion wird ein autonomes Bildungsprojekt schwer beeinträchtigt, ein Projekt, das nicht etwa der Selbstverwirklichung Einzelner diente, sondern der gesamten Bevölkerung offen stand. Seit Sommer fanden im besetzen Schulhaus Kurse zu verschiedensten Themen statt: u. a. Informatikkurse, Nachhilfeunterricht, philosophische Seminare. Auch dem Verein Bildung für Alle, der Deutschkurse für illegalisierte MigrantInnen (Sans-Papiers) und Asylsuchende anbietet, diente die ASZ als Dach.
Wir verurteilen das Vorgehen der Stadt und Polizei in aller Form. Die unangekündigte Aktion ist unverhältnismässig und in keiner Weise gerechtfertigt. Die Stadt Zürich und die Polizei begründete ihr Vorgehen mit der mangelnden Kooperation seitens der BesetzerInnen und einem damit zusammenhängenden Zwischenfall mit einer illegal verlegten Stromzuleitung. Die ASZ sei nicht bereit gewesen, eine geregelte Strominstallation und den Stromverbrauch zu bezahlen.
Die Behauptungen und Vorwürfe der Behörden entsprechen nicht der Wahrheit. Seit Beginn der Besetzung im April 2009 stand die ASZ mit der Stadt Zürich betreffend Wasser- und Stromzufuhr in Kontakt. Nach einigen Abklärungen wurde schnell klar, dass eine Wasserzuleitung nicht realisierbar ist, eine Stromzuleitung mittels Provisorium allerdings schon. Von Anfang an kommunizierten die BesetzerInnen klar und deutlich ihre Bereitschaft, für die provisorische Installation sowie für den gesamten Stromverbrauch aufzukommen. Im September 2009 sicherte die Stadt Zürich eine provisorische Stromzuleitung zu. Leider blieb es bei der Zusage und nichts passierte, trotz mehrfacher Kontaktaufnahmen und Terminangeboten der ASZ. Dies ist durch unseren Mailverkehr mit dem Hochbaudeparement, den wir der Presse gerne zur Verfügung stellen, eindeutig belegbar.
Aufgrund dieser eindeutigen Obstruktionspolitik sahen sich einige BesetzerInnen dazu veranlasst, sich mit einer eigenen Stromzuleitung zu versorgen. Denn eine minimale Stromversorgung ist für die Aufrechterhaltung eines Schulbetriebs unbedingt notwendig, gerade im Winter. Im Dunkeln kann man nicht lernen. Die bereits installierten Generatoren und Solarpanels reichten für den Notfall, konnten aber keine dauerhafte Lösung sein.
Leider ereignete sich im Zusammenhang mit der verlegten Stromleitung kurz vor Weihnachten ein höchst bedauerlicher Unfall, für den sich die ASZ umgehend bei allen Betroffenen entschuldigte: Eine mangelhaft isolierte Stelle fügte dem Hauswart einen Stromschlag zu, der zum Glück keine gesundheitlichen Folgen mit sich brachte. Aufgrund dieses Vorfalls versuchte das Hochbaudepartement die längst gefällte Entscheidung für eine offizielle Stromzufuhr zusammen mit den BesetzerInnen zu forcieren. Doch trotz offizieller Abmachungen und allgemeinem Konsens zwischen Hochbaudepartement und ASZ weigerte sich das EWZ aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen, das benötigte Material zur Verfügung zu stellen. Aufgrund grösstem Unverständnis gegenüber dieser, aus der Sicht der BesetzerInnen bewussten Verweigerungstaktik wurde eine erneute Stromleitung gelegt. Die Installation war einwandfrei. Für niemanden bestand je eine Gefahr. Aus Sicherheitsgründen bestand also keinerlei Anlass zu einer Räumung.
Dass die Räumung aus Sicherheitsgründen erfolgt sei, scheint uns nicht viel mehr als ein Vorwand zu sein. Die Aktion, die den Steuerzahler schätzungsweise 500‘000 SFr. kosten wird, steht vielmehr im Kontext einer in diesem Ausmass neuen Repression gegenüber der Zürcher HausbesetzerInnenszene. Waren wir zu erfolgreich? 80-120 Flüchtlinge besuchten allein die Deutschkurse, daneben fanden weitere Kurse statt. Nächsten Montag ist der Start der Frühjahrskurse, mit ausgebautem Angebot. Ob, wie und wo diese stattfinden können, ist zurzeit völlig offen. Falls die Kurse nicht weitergeführt werden können, geht für zahlreiche Sans-Papiers und Asylsuchende die einzige Bildungsmöglichkeit verloren, die ihnen zur Verfügung stand. Die Autonome Schule war für viele von ihnen eine Heimat, ein Ort, wo sie ihr Leben selbst gestalten und bestimmen konnten. Dieser Ort wurde heute von der Polizei zerstört.