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Die 80er-Bewegung lebt

Mehr als 20 Jahre linksautonome Politszene im Reitschule-Umfeld – eine erstaunlich kontinuierliche Geschichte Ein roter Faden zieht sich durch die 25-jährige Geschichte der Autonomenszene: von den AJZ- und Zaffaraya-Bewegten der 80er- über Gassenküche und Anti-WTO-Aktivisten der 90er-Jahre bis zu den Antifa-Spazierern im neuen Jahrtausend und den Anti-SVP-«Schwarzen Schafen».
 
Wer den Antifa- oder Anti-SVP-Aufruhr von heute «mit den Wohlstands-Jugendkrawallen von 1980 ff. verwechselt, wird sich täuschen», wird nach dem Krawall vom 6. Oktober in einem Diskussionsbeitrag im linksautonomen Internetforum Indymedia betont. In der Tat: Damals und heute, das sind zwei Paar Schuhe. So war beispielsweise nur schon die individuelle Perspektive vieler 80er-Bewegter eine ganz andere, nämlich eine weniger prekäre als die von vielen Jugendlichen heute: Zur Zeit der 1980er-Unruhen – die im Gegensatz zu 1968 weniger akademisch, sondern eher von einer Lehrlingsjugend geprägt waren – hatte so mancher schon nach drei Bewerbungen eine Lehrstelle. Und diese wurde häufig mit zeitgeisttypischer «Läck-mer»-Attitüde angetreten, galt es doch schon als ungeheure Konzession an kapitalistisches «System» und bürgerliche Enge, sich überhaupt «ausbeuten» zu lassen, statt gleich «auszusteigen». Anders heute: Da vernimmt man von 17-Jährigen, die ungeachtet guter Noten und bravem Gebahren erfolglos mehr als 300 Bewerbungen schreiben und die, wenn es endlich klappt, vor Erleichterung heulen.

So betrachtet hätten Jugendliche heute ungleich plausiblere Gründe für Revolte als die 80er-Altvorderen.

Von 1987 bis 2007 ein roter Faden

Und doch haben 1987 und 2007 mehr miteinander zu tun, als selbst manchem Szenemitläufer und Demogänger bewusst ist. So weist die 20-jährige Geschichte der Reitschule nicht nur punkto Kultur und Betriebsgruppen, sondern auch in Sachen politische Gruppen im Reitschul-Umfeld eine mitunter recht verblüffende Kontinuität auf – ideell, strukturell und personell. Vom «Amore e Anarchia!» des Heissen Sommers ’80 über «Zaff, Zaff, Zaffaraya!» anno ’87 bis zum Ruf «Antifa heisst Angriff!» bei den Abendspaziergängen der jüngeren Vergangenheit zeigt sich ein roter Faden.

Kommunisten und Anarchisten

Seit dem Anti-SVP-Krawall geistert vor allem eine Gruppe durch die Medien: der Revolutionäre Aufbau Schweiz (RAS) (siehe «Bund» vom 13. Oktober). Dies, weil der ultrakommunistische RAS, wie der Inlandgeheimdienst bestätigt, am 6. Oktober in Bern massgeblich zur Mobilisation der Militanten beigetragen hat. Die Einschätzung mag für diese spezifische Berner Mobilisation zutreffen. Insgesamt aber vermag der «Aufbau», der in Bern bloss mit einem kleinen Ableger vertreten ist, keinen führenden Einfluss auf das politische Reitschul-Umfeld auszuüben. Er agitiert vorab in Zürich um die seit Mitte der 1970er-Jahre aktive Linksextremistin Andrea Stauffacher. Weit mass- und tonangebender waren und sind für Berns Szene anarchistische Kräfte – deren prominentester Vertreter wie Stauffacher ebenfalls seit fast 30 Jahren vorne mit dabei ist: Anton Schumacher. Schon 1980 war Schumacher – genannt «Fashion» – Identifikationsfigur der Berner Bewegung der Unzufriedenen, welche die Reithalle als Autonomes Jugendzentrum (AJZ) besetzte. 1987, im Jahr der Reitschul-Wiederbesetzung und der Zaffaraya-Räumung, inspirierte er – nun als «Giovanni» – umtriebig Berns autonome Gegen- und Widerstandskultur.

1996 erzwang er mit dem Büro gegen finstere Zeiten per Referendum eine Volksabstimmung über das bernische Polizeigesetz. 2001, nunmehr Kopf der anarchosyndikalistischen Fauch (Freie ArbeiterInnen Union Schweiz), führte Schumacher mit dem kürzlich verstorbenen libertären Bieler Genossen Mark Haldimann Berns Autonome zu Antiglobalisierungs-Schlachten nach Davos und Genua. Letztmals bei den Anti-SVP-Aktionen vom 6. Oktober 2007 sah man den unverdrossenen «Fashion» einmal mehr, wie er von Polizeigrenadieren abgeführt wurde.

Von «Giovanni», «Detti» und Jenni

Ebenfalls schon ein alter Hase ist David «Detti» Böhner, der an der Seite von Autonomen-Anwalt und Grünen-Stadtrat Daniele Jenni zum Anti-SVP-Fest am 6. Oktober gerufen hat. Böhner, seit 1990 dabei und bis 2000 sogar in der Reitschule-WG wohnhaft, organisierte ab 1998 mit der Anti-WTO-Koordination die globalisierungskritische Bewegung und trägt heute mit seinem Kollektiv Rebelle nach wie vor unentwegt diverse Kampagnen der Szene mit. «Giovanni», der heute beruflich als Galerist firmiert, und «Detti», der in der Reitschule-Druckerei arbeitet, sind die öffentlich bekannten, aber keineswegs die einzigen Altgedienten im Politumfeld der Reitschule.

Altgedient und unverdrossen agil

Ausgeprägt ist die bewegungshistorische Kontinuität bei den Aktivisten der so genannten autonomen Gassenarbeit. Dies gilt vorab für die Gassenküche der SchülerInnenkoordination Bern (Sikb), die 1990 in Opposition zur städtischen Drogenpolitik formiert worden war. Eben erst, im Jahr 2007, hat sie einen Hosenlupf mit der Stadtregierung, die sie von der Heiliggeistkirche vertreiben wollte, für sich entschieden. Die Dienstälteste des Umfelds, eine 53-Jährige, war schon 1980 bei der Drogen-Sani der Jugendbewegung dabei und freut sich darüber, dass «die Jungen wieder unsere alten Texte aus den 80ern hervornehmen».

Ein Gassenküche-Pionier (und Intimus der Fauch-Anarchos) wurde als junger Punker 1987 durch die Zaffaraya-Räumung politisiert und radikalisiert und mischt heute noch im harten Kern mit. Ebenfalls seit 1987 gibt es die Reitschule-Zeitung «megafon» . Deren dienstälteste Redaktorin, die heute noch allenthalben Kolumnen mit «Viva la Revolucion!» zeichnet, textete ihrerseits schon im Jahr 1982 Flugblätter für das Komitee für Frieden und Abrüstung (KFA).

68er-Avantgarden und ihre Erben

Damals, Anfang der 80er, hatten die Parteien der 1968er-Linken, die Sozialistische ArbeiterInnenpartei (SAP) und die Progressiven Organisationen (Poch) sowie die altmarxistische Partei der Arbeit (PdA), versucht, Berns Jugendbewegung vor ihre Karren zu spannen – was schon im Ansatz misslang, denn «d’Bewegig» war kaum steuerbar. Sie vollzog sich ungestüm, unberechenbar, eigendynamisch und «Avantgarden» abhold. Einzig die Demokratische Alternative (DA) von Daniele Jenni hatte einen gewissen Erfolg – «Fashion» kandidierte gar auf der DA-Liste. In den Unruhen von 1987 gab es SAP und Poch schon nicht mehr: Sie gingen im Grünen Bündnis (GB) auf. 1992 war es um die PdA Bern geschehen.

Eine gewisse Ironie liegt darin, dass seit 2004 das Gespenst eines neuen Kommunismus umgeht, erfährt in Bern doch nicht nur die PdA ihre Renaissance. 20 Jahre nach der SAP erlebt Bern mit der Bewegung für den Sozialismus (BFS) auch ein trotzkistisches Revival. Allerdings: Die «Avantgarde» in linksradikalen Mobilisationen ist heutzutage eher bei den Autonomen zu orten. Umgekehrt wirkte etwa der PdA-Stadtrat Rolf Zbinden am Anti-SVP-Marsch eher wie ein Mitmarschierer – und geriet in der Öffentlichkeit darum prompt in den Ruf eines Mitläufers im Schwarzen Block.

Und immer wieder Daniele Jenni

Allein Daniele Jenni – Anfang der 80er von SAP und PdA noch als lauer Reformist beargwöhnt – pendelt erfolgreich zwischen der institutionalisierten parlamentarischen Ebene und der Strassenmilitanz seiner gewissen anarcho-autonomen Klientel; GPB-Stadtrat Jenni geniesst als einziger Politiker «street credibility» – selbst bei autonomen Hardlinern.

Berns autonome Szene entstand im Zug der Jugendunruhen 1980 bis 1982 aus übrig gebliebenen 68er-Spontis und AJZ-Bewegten. Sie erfuhr in den Zaffaraya-Unruhen eine erste, in den 1990er-Jahren mit Gassenküche und Antiglobalisierungsbewegung eine zweite Verjüngung. Als bei weitem gewichtigste, nachhaltigste und erfolgreichste Berner Kampagne aber erwies sich die Antifa-Bewegung, in der vor allem Aktivisten der zweiten und dritten Generation aktiv sind. Bei Entstehung der Gruppe Antifa (Antifaschistische Aktion) 1995 waren noch am ehesten alte 80er initiativ . Das 1999 ins Leben gerufene Bündnis Alle gegen Rechts (BAgR), das von 2000 bis 2006 Antifaschistische Abendspaziergänge veranstaltete, indes wurde massgeblich von neuen, teils sehr jugendlichen Kräften geprägt.

Neben, ja gar gegen die Reitschule

Nicht erst in jüngster Vergangenheit manifestieren sich im Übrigen Verbindungen und Gruppen, die sich dem Einfluss altgedienter Aktivisten tendenziell bis ganz entziehen. Aktuell von sich reden macht da etwa eine Gruppe junger Heisssporne, die unbescheiden im Plural agiert: Anarchistische und autonome Gruppen Bern. Wie unabhängig von gewachsenen Szenestrukturen junge Kräfte heute teils agitieren, erhellte die Kundgebung «Reclaim the Streets» (RTS) 2005. Die Polizei suchte den Dialog, wandte sich via Mail an die Insider der Antifa-Autonomenszene, doch selbst diese wussten schlicht nicht, wer hinter dem RTS-Aufruf stand.

Mehr noch: Wenn immer verkürzend von «Reitschul-Umfeld» gesprochen wird, bleibt anzumerken – und dies ebenfalls nicht erst seit jüngster Zeit – dass in jugendlich geprägten Szenekreisen sogar Kräfte auftauchen, die sich nicht nur der Reitschule entfremden, sondern teils gar im Gegensatz zu ihr stehen.

Bereits 2001 sorgte ein Besetzerkollektiv namens Die Siedler für Aufsehen, das in Bümpliz ein Haus okkupierte, um «ein neues AJZ» aufzubauen. Unter dem Schlachtruf der 80er-Bewegung «AJZ subito, autonom sowieso» zogen die Jungen aus, um Kommerz und Konsumismus eine Absage zu erteilen. Für sie hiess das auch «Raus aus der Reitschule!», denn dort gehe die Reise auch längst in «Richtung Schickimicki», sagten die Dissidenten.

«Symbol für die radikale Linke»

«Die Reitschule ist nicht wirklich steuerbar», sagt der alte Hase David Böhner zu diesen Konflikten, «von niemandem, von keiner Gruppe, die findet, jetzt müsse alles anders und besser werden, und von keinen alten Hasen und Häsinnen, die meinen, immer alles schon besser zu wissen». Das sei ja auch «das Schöne daran». Was aber geblieben sei, so Böhner in der aktuellen Ausgabe des «megafon» über 20 Jahre Reitschule: «Die Vorstellungen und Ideale von vor 20 Jahren sind immer noch vorhanden», und nach wie vor sei die Reitschule «ein wichtiges Symbol für die radikale Linke». Und so lebt in Bern die 80er-Bewegung gewissermassen fort – und macht aus diesem Staat Gurkensalat.

quelle: der bund