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Nestl?s Gesch?ft mit dem ?reinen Leben?

Mit dem Flaschenwasser «Pure Life» will Nestlé den Durst in armen Ländern stillen. Doch in Brasilien läufts nicht rund. In São Lourenço stellte Nestlé die Produktion von «Pure Life» ein.

Von Roman Berger, São Lourenço

 

 

Wenn es in São Paulo und Rio de Janeiro stickig heiss ist, dann herrschen in São Lourenço angenehme Temperaturen. Der rund 800 Meter hoch gelegene, etwa je 290 Kilometer von beiden Metropolen entfernte Kurort bietet noch mehr. In einem historischen Wasserpark, in dem Könige und Präsidenten sich erholten, sprudeln neun verschiedene Mineralquellen. In einer Grotte legen Gedenktafeln dankbarer Besucher Zeugnis über die Heilkraft der Wasser von São Lourenço ab.

Der Spaziergang durch den Wasserpark endet abrupt vor einer fünf Meter hohen Betonmauer. Hinter der festungsähnlichen Mauer befindet sich eine Pump- und Abfüllanlage, die von Nestlé massiv ausgebaut worden ist, nachdem der Schweizer Konzern 1992 durch den Kauf von Perrier in den Besitz des Wasserparks gekommen war.

Ein Besitzerwechsel mit Folgen. Marco Aurelio Lage, der Direktor des ältesten Hotels in São Lourenço: «Der französische Konzern hatte den Kurort mit Tourismusfachleuten aktiv unterstützt, die in der Schweiz ausgebildet worden waren», erinnert sich der Hoteldirektor mit Wehmut. «Jetzt sind wir in den Händen einer Schweizer Firma, die nur am Wasserpumpen interessiert ist und für den Tourismus wenig übrig hat.»

Härter ins Gericht mit Nestlé geht eine Gruppe von Bürgern aus São Lourenço,die sich um den Zustand des Wasserparks Sorgen macht. Alarmiert wurde sie durch beunruhigende Veränderungen: Eine Quelle versiegte. Aus den anderen Quellen fliesst weniger Wasser, und der Geschmack der Mineralwässer hat sich verändert. Im Boden zeigen sich Risse. Auf dem Fabrikareal sterben Bäume. Die Umweltschützer sehen darin die Folgen einer aggressiven Wasserausbeutung. Seit 1999 seien Millionen von Litern Mineralwasser abgepumpt worden, das entmineralisiert wurde und als Tafelwasser mit dem Label «Pure Life» auf den Markt gelangte. «Nestlé verstösst gegen die Gesetze der Natur und des Staates», erklärt der Wassergeologe und Umweltschützer Gabriel Junqueira.

Diese Vorwürfe hat der Staatsanwalt in São Lourenço in wichtigen Punkten übernommen. Nestlé wurde im Dezember 2001 angeklagt, mit der Entmineralisierung Gesetze zu verletzen. Weiter wird Nestlé beschuldigt, in einer «ökologisch als höchst verwundbar eingestuften Umgebung» zu viel Wasser abzupumpen, was die Senkung des Grundwasserspiegels zur Folge haben und den ganzen Wasserpark zerstören könnte.

Nestlé vertritt den Standpunkt, «Pure Life» sei kein Mineral-, sondern ein gewöhnliches Flaschenwasser und von der für die Kontrolle der Nahrungsmittel und Getränke zuständigen Behörde (Anvisa) lizenziert. Die für die Behandlung und den Verkauf von Mineralwasser verbindlichen Gesetze seien für «Pure Life» nicht relevant. Die Schäden im Park seien die Folgen einer Überschwemmung im Jahre 2001, die auch den Bau der Mauer um das Fabrikareal nötig gemacht habe.

Gerichtliches Hin und Her
Dennoch entschied der zuständige Richter im September 2002, die Herstellung von «Pure Life» müsse eingestellt werden. Nestlé zog den Fall weiter und konnte nach nur fünf Tagen wieder produzieren. Ein ungewöhnliches Tempo für brasilianische Verhältnisse. Seither ist der Fall hängig.

Zu einer Überraschung kam es am Open Forum in Davos im Januar 2004: Von Fragen des brasilianischen Umweltschützers Franklin Frederick bedrängt, erklärte Nestlé-Chef Peter Brabeck an der Parallelveranstaltung zum WEF in Anwesenheit von Bundesrat Joseph Deiss, die Anlage in São Lourenço sei bereits geschlossen. Das Problem in Brasilien sei gelöst. Hat hier Nestlé öffentlicher Kritik nachgegeben - so fragten die überraschten Medien -, oder versuchte Brabeck einfach, die öffentliche Meinung in der Schweiz und anderswo zu beschwichtigen?

In den gleichen Tagen, am 21. Januar 2004, fand in São Lourenço eine von der Regierung organisierte Versammlung mit Vertretern der Gemeinde und der Bevölkerung statt. Es kam zu einer informellen, von der Regierung nachträglich nicht anerkannten Vereinbarung, welche Nestlé gestattete, bis 31. Oktober 2004 «Pure Life» weiter herzustellen.

Bereits im März 2004 verlangte das Bundesamt für Mineralwasserproduktion (DNPM), welches die Herstellung von Mineralwasser beaufsichtigt, einen Produktionsstopp innerhalb von 30 Tagen. Nestlé erhob erneut Einspruch und erhielt vom Bundesgericht einen Aufschub bis zum 31. Oktober 2004. Im Juli 2004 fand im Abgeordnetenhaus in Brasilia ein Hearing zum Fall Nestlé statt. Ein Vertreter von DNPM bestätigte die vom Staatsanwalt in São Lourenço erhobenen Vorwürfe. Ende Oktober 2004 hat Nestlé die Produktion von «Pure Life» eingestellt. Weiter abgefüllt wird ein den Namen des Kurortes tragendes Mineralwasser, dessen Herstellung nie umstritten war.

Mit ihrem Verhalten in São Lourenço habe sich die Schweizer Firma beträchtlichen Imageschaden zugefügt, meint Antonio Felix Domingues, Superintendant der Nationalen Wasseragentur (Ana), einer von der Regierung unabhängigen Behörde in Brasilia. Warum Nestlé sich so verhält, erklärt der Abgeordnete Doutor Rosinha, der die parlamentarische Befragung zu Nestlé einberufen hat: «Nestlé verhält sich wie andere multinationale und grosse brasilianische Firmen. Sie beginnen Geschäfte ohne Rücksicht auf Gesetze und warten einfach ab, ob der Staat oder eine NGO reagiert.» Komme es - wie im Fall São Lourenço - zu Anklagen, könnten die Unternehmen damit rechnen, dass die Verfahren versanden. Denn, so Rosinha: «Unsere Gerichte sind korrupt und ineffizient. Und auch ein grosser Staat wie Brasilien hat Angst, sich mit mächtigen Multis anzulegen.»

Unter dem neoliberalen Präsidenten Henrique Cardoso (1995 bis 2003), so bestätigen mehrere Quellen in Brasilia, habe sich Nestlé einer «aussergewöhnlichen Protektion» erfreut. Daran hat sich offenbar auch unter dem «Arbeiterpräsidenten» Lula nicht viel geändert. Ausgerechnet in Lulas bekanntem Hungerbekämpfungsprogramm konnte sich der Lebensmittelkonzern als wichtiger Sponsor prominent in Szene setzen.

Trinkwasser für Zahlungskräftige
Der Fall São Lourenço habe in der Schweiz mehr Publizität provoziert als in Brasilien, meinen Nestlé-Vertreter in Rio de Janeiro. Die Produktion von «Pure Life» dürfte in Brasilien, das hat Brabeck in Davos angedeutet, bald an einem anderen Ort wieder aufgenommen werden. Denn «Pure Life» steht für eine globale Marktstrategie.

1999 wurde «Pure Life» erstmals in Pakistan und dann in 67 weiteren Ländern des Südens verkauft. Nestlé macht mit dem «blauen Gold» besonders in Schwellenländern wie Brasilien beste Geschäfte, weil hier die öffentliche Wasserversorgung schlecht ist, gleichzeitig aber die Bevölkerungsschicht wächst, die sich den Kauf von Trinkwasser leisten kann. Der Konzern kann mit geringsten Kosten Wasser aus öffentlichen Quellen abpumpen und es mit hohen Gewinnen verkaufen, während die gleiche Öffentlichkeit keine Mittel für eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung oder keinen direkten Zugang zu Wasser hat. In Brasilien sind das rund 20 Prozent der Bevölkerung oder 35 Millionen Menschen.

 

Quelle: Tagesanzeiger