Newswire
Neonazis leisten ungehindert Militärdienst
Read more...
Communiqué von A-Perron zum Angebot der Stadt Thun
Read more...
Thun schafft Freiraum für die Jugend
Read more...
Communiqué zum Nächtlichen Tanzvergnügen 2.0
Read more...
Spur der Neonazimorde führte in die Schweiz
Read more...
Veröffentlichen
> News eintragen
> Termin eintragen
> Link melden
Keine Macht f?r niemand
Freitag, den 07. Oktober 2005 um 12:33 Uhr
Diesem alten Sponti-Spruch gemäss wären Wahlen, könnten sie etwas verändern, längst verboten, und vielleicht sollte sich Deutschlands politische Klasse wirklich einmal überlegen, ob sie eine parlamentarische Demokratie künftig überhaupt noch zulässt.
Wie denn? Da steht dies Land, ausweislich der Leid-Artikel so gut wie aller Zeitungen, ausweislich der Reden so gut wie aller Politiker, ausweislich der Äusserungen so gut wie aller Wirtschaftsordinarien unmittelbar vor dem Ruin. Da weist man dem Bürger immer wieder nach, dass seine Löhne zu hoch, seine Renten zu üppig und die Sozialleistungen zu grosszügig sind, dass es folglich so wie bisher, mit Fettleber und Besitzstandsdenken, ganz bestimmt nicht weitergeht. Und was macht dieser Bürger ?
Er will weder die Pest, also die Schröder-, noch die Cholera, also die Merkel-Partei. Nachdem die Rot-Grünen ihm mit all diesen famosen Gesundheits-, Renten- und Arbeitsmarktreformen in den letzten drei Jahren tief in die Tasche gefasst haben, will er sich in den kommenden drei Jahren von den Schwarz-Gelben mit einer Reform der Steuergesetze partout nicht ausplündern lassen. – Frechheit! Tatsächlich offenbart sich in Ergebnis und Kommentierung der deutschen Bundestagswahlen vor allem wohl die tiefe Kluft, die Politiker und Publizisten auf der einen von den Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite trennt. Während hier ständig behauptet wird, der Untergang des Vaterlands sei, wenn überhaupt, nur mit Demut und Bescheidenheit, sinkenden Löhnen und längeren Arbeitszeiten zu verhindern, schaut man dort ängstlich und beklommen auf Erwerbslosenquote und Geldbeutel.
Wer den Job verlor, weil Fondsmanagern in New York, Frankfurt oder London die Rentabilität seiner Firma zu niedrig war, denkt nun einmal anders als ein Professor, der sich um Gehalt und Pensionsansprüche nicht zu sorgen braucht. Und ein Betriebsrentner, dessen karge Bezüge mit dem doppelten Krankenkassenbeitrag belastet werden, hat nun einmal andere Sorgen als eine Frau Minister mit ihrem 18 000-Euro-Gehalt. Nicht, dass man generell gegen Reformen wäre. Nur ist doch der Begriff «Reform» längst zum Synonym für Sozialabbau geworden.
Die Deutschen haben protestiert. Sie haben neoliberaler Kaltschnäuzigkeit eine Absage erteilt und mehr soziale Gerechtigkeit eingeklagt in einem Land, in dem die Reichen immer reicher werden, während jedes zehnte Kind in bitterer Armut leben muss, rund 200 000 Deutsche nicht einmal ihre Krankenversicherung bezahlen können und ein einziger Blick erst in eine Bankfiliale und dann in eine Schule zeigt, wie es um die deutschen Prioritäten steht. Dass es Oskar Lafontaine und Gregor Gysi gelungen ist, diesen Protest aufzufangen und damit einen Triumph der Neonazis zu verhindern, spricht auch für die Vernunft der Wähler.
Die Regierungsbildung ist schwierig, wenn nicht unmöglich, weil dieser Wähler dreist ganz anders wählte als er wählen sollte. Na und? Da gab es schliesslich noch so einen Sponti-Spruch: «Keine Macht für niemand!»
Quelle:Berner Zeitung