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Aktion Marathon, Gemeinderat positiv ?berrascht

THUN-Die Aktion Marathon gegen die Drogenszene auf dem Mühleplatz ist auch aus Sicht des Thuner Gemeinderats ein Erfolg. Innert elf Wochen wurden 155 Wegweisungsver- fügungen erlassen und 61 Anzeigen ausgestellt.





 

Nachdem die Drogenszene und Randständige jahrelang auf dem hinteren Teil des Mühleplatzes von den Behörden geduldet wurden, war am 13. Juni 2005 plötzlich alles anders. Dutzende von Polizeibeamten riegelten den Platz ab und vertrieben die Szene. Dies mit Hilfe von Fernhalteverfügungen, die auf zwei Monate befristet sind. «Nach kurzer Zeit hatten wir auf dem Mühleplatz keine Drogenabhängige mehr. Das ging sogar schneller als vermutet», zog gestern Sicherheitsvorsteher Heinz Leuenberger vor den Medien Bilanz.


Die Aktion erfolgte für die Betroffenen allerdings nicht unerwartet. «Der Betreuungsdienst Talk Thun wies die Leute auf die bevorstehende Polizeiaktion hin», erläuterte Polizeikommandant Erwin Rohrbach. Die Aktion sei mit verschiedenen Amtstellen vorbesprochen worden. Um eine Verlagerung der Szene zu verhindern, wurden auch für die Gebiete Aarequai, Aarefeld und Kleistinseli Verfügungen ausgestellt. Auch Rohrbach zeigte sich positiv überrascht über die Wirkung: «Das hätte ich nicht gedacht.» Allerdings lasse der Effekt mittlerweile etwas nach, wie die Auswertung zeige. Mitte August, als die ersten Verfügungen abgelaufen waren, habe sich die Szene wieder zurück zum Mühleplatz bewegt. Das Resultat war eine neue Welle von Verfügungen, welche die Polizei ausstellen mussten.


155 Verfügungen


«Bis Ende August waren es total 155 Verfügungen, die 118 Personen betrafen», erläuterte Rohrbach (vgl. Tabelle). Davon mussten 38 Personen verzeigt werden, weil sie sich nicht an die Verfügungen hielten. Sie müssen mit Bussen von 100 bis 300 Franken, bei mehrfachen Übertretungen gar mit Haft rechnen. Gegen die Verfügungen gingen beim Gemeinderat neun Beschwerden ein. Eine Verfügung, die sich im Nachhinein als unberechtigt erwiesen habe, wurde zurückgezogen. Zwei Beschwerden lehnte der Gemeinderat ab, sechs weitere sind noch hängig.


Kurz vor dem Start von «Marathon» hatte der Thuner Stadtrat am 9. Juni die Einrichtung einer Kontakt- und Anlaufstelle zur Betreuung von Süchtigen abgelehnt. Mit diesem Entscheid habe die Lancierung der Aktion aber keinen Zusammenhang gehabt. Die Aktion wurde laut Leuenberger lanciert, «nachdem klar war, dass sich das Bauprojekt für die Umnutzung des hintern Teils des Mühleplatzes erneut verzögerte» (vgl. Interview). Das härtere Einschreiten begründete Leuenberger auch mit einem Gesinnungswandel in der Gesellschaft: «Heute gilt vermehrt eine Nulltoleranz gegenüber Leuten, die sich anders verhalten als die Mehrheit.»


Mehr Leute in Bern


«Das Drogenproblem ist mit dieser Aktion aber nicht gelöst», gab Philipp Weber, städtischer Beauftragter für Gesundheits- und Suchtfragen, zu Bedenken. Die Betreuung der Drogensüchtigen sei schwieriger geworden. Mehrere Süchtige seien auch nach Bern ausgewichen, die dortige Anlaufstelle registrierte zwischen 12 bis 20 Personen aus Thun. Drogen würden heute vermehrt in Privatwohnungen konsumiert, der Handel habe sich neu organisiert. «Das funktioniert heute fliegend mit Hilfe von Velos und Handys», erläuterte Weber. Um den Süchtigen eine minimale Betreuung anbieten zu können, hat der Gemeinderat der Verlängerung des im Oktober auslaufenden Projekts Talk Thun bis Ende Januar 2006 zugestimmt.


Neue Vorlage im Stadtrat


«Das Drogenproblem ist eine tickende Zeitbombe», betonte Sozialvorsteher Andreas Lüscher. Um der Verunsicherung und Isolation der Betroffenen entgegen zu wirken, lässt der Gemeinderat gegenwärtig ein Strategiekonzept für eine städtische Suchtpolitik erarbeiten, das im November dem Stadtrat vorgelegt werden soll. So könnten im Falle der Zustimmung erste Massnahmen bereits im nächsten Winter umgesetzt werden. «Es geht um die Schadensminderung für Süchtige, aber letztlich auch für die Allgemeinheit», sagte Lüscher. Konkretere Angaben wollte und konnte er gestern nicht machen.


Die Aktion Marathon geht derweilen weiter. «Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, darf die Aktion nicht abgebrochen werden», meinte Erwin Rohrbach. Der beträchtliche personelle Polizeiaufwand für «Marathon» habe für die Stadt Thun keine zusätzlichen Kosten zur Folge, da im Gegenzug andere Polizeiaufgaben eingeschränkt würden

Quelle:  Thuner Tagblatt 09.09.2005