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Demoreglement: «Fast wie eine Ausgangssperre»
Samstag, den 04. November 2006 um 11:01 Uhr
Grundrechtsexperten kritisieren das Ortspolizeireglement der Stadt Thun, das die Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung untersagt. Der Berner Anwalt Daniele Jenni kündigt Widerstand an.«Was heisst ,Erscheinen?»
Müller steht mit seiner Meinung unter Grundrechtlern nicht alleine da.
Das Verbot einer Demonstration sei ein «schwerwiegender Eingriff in das
Grundrecht der Versammlungsfreiheit», sagt der Basler Staatsrechtsprofessor
Markus Schefer. Daher müssten die entsprechenden Bestimmungen viel präziser
formuliert sein. Darüber hinaus sieht Schefer bei der Handhabung des neuen
Artikels verschiedene praktische Probleme. «Was heisst genau ,Erscheinen,
und wie will man den Leuten nachweisen, dass sie an der Kundgebung teilnehmen
wollten?»
Auch der Berner Anwalt und Stadtrat Daniele Jenni (gpb), der schon öfters
Kundgebungsteilnehmern in Thun juristisch zur Seite stand, hat Mühe mit
dem Reglement. Dieses strotze von Absurditäten und sei «absolut nicht
handhabbar». Zudem sei eine Gemeinde gar nicht befugt, die Teilnahme an
einer Demonstration als strafbar zu erklären. Laut Kantonsverfassung dürften
die Gemeinden lediglich eine Bewilligungspflicht einführen. Damit liessen
sich allenfalls die Organisatoren einer Kundgebung ins Recht fassen, nicht aber
die Teilnehmenden.
Beschwerde wahrscheinlich
Jenni hat bereits einige Hebel in Gang gesetzt, um das Reglement zu bekämpfen.
Er habe deswegen mit seiner Partei und mit den Demokratischen Juristen Kontakt
aufgenommen. Ausserdem werde das Reglement «sehr wahrscheinlich»
mittels Gemeindebeschwerde beim Regierungsstatthalter angefochten. «Ich
weiss von Leuten aus Thun, die dazu bereit sind.»
Der Thuner Polizeichef Erwin Rohrbach hingegen sieht «keine grossen Probleme»
bei der Anwendung des neuen Artikels. Aufgrund von Kleidung und Ausrüstung
liessen sich Kundgebungsteilnehmer und unbeteiligte Passanten klar auseinander
halten, sagt er. «Das Risiko, dass jemand zu Unrecht bestraft wird, ist
gering.» Ähnlich äussert sich der Thuner Polizeivorsteher Heinz
Leuenberger (sp). «Die neue Bestimmung richtet sich nur gegen Exzesse
und Chaoten», versichert er. «Die Versammlungsfreiheit bleibt unangetastet.»
Der Bund, Stefan von Below [04.11.06