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Bern: Die Militarisierung der Inneren Sicherheit geht weiter

Bereits anlässlich des 7. Antifaschistischen Abendspazierganges vom 1. April 2006 wurden unter der Verantwortung des Gemeinderates und der Direktion SUE in erhöhtem Ausmass Ressourcen der Armee in Anspruch genommen, namentlich Transportkapazität, Spezialfahrzeuge, Hubschrauber sowie Infrastruktur und Personal für Observationen.

Trotz der bereits damals auch in Zusammenhang mit meiner Interpellation vom 6. April 2006 im Stadtrat geäusserten Bedenken scheint der Gemeinderat nun unter reichlich unklaren Umständen um Armeeunterstützung für Sicherheitsaufgaben bis hin zum Personenschutz während der EURO 08 ersucht zu haben.
 

Er erweckte dabei den Eindruck, weiter gegangen zu sein als die anderen Austragungsorte

(Host Cities), die „nur“ logistische Unterstützung durch die Armee anforderten.

 Aus den weithin unklaren Darstellungen des Gesamtprojektleiters EURO 08 und

der Direktorin SUE soll dem Anschein nach hervor gehen, dass wegen eines grob gehaltenen, durch den Gemeinderat vom angeblich fehlerhaften Verwaltungsentwurf unbemerkt zum Beschluss erhobenen, provisorischen Globalgesuches der nicht gemeinte Eindruck eines über die anderen Austragungsorte (Host Cities) hinaus gehenden Unterstützungsbegehrens entstanden sei, wogegen in Wirklichkeit bloss ein allgemein formuliertes Gesuch, das einzig um Armeeunterstützung für Logistik, Sicherheitswesen und Objektschutz ohne Bevölkerungskontakt gebeten habe, dahin gehend missverstanden worden sei, dass es auch das Ansuchen um Unterstützung im Personenschutz enthalten habe.

Mit derartigen offensichtlich mehr oder weniger berechnet in Kauf genommenen, von welcher Seite auch immer ausgelösten, nahezu realsatirischen Verwirrspielen macht sich der Gemeinderat in politisch wenig verantwortlicher Art zum Verstärker der verfassungsrechtlich, staatspolitisch und sachlich so unhaltbaren wie gefährlichen Tendenz zur zunehmenden Vermischung ziviler und militärischer Bereiche im Rahmen der Inneren Sicherheit. Er verkennt auch, wie sehr der wachsende Zugriff der emsig nach einem Daseinsgrund suchenden Armee auf die Innere Sicherheit die Legitimation der zivilen Behörden auf diesem Gebiet untergräbt.

Der Gemeinderat wird deshalb ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

1. a) Welche Beschlussesentwürfe welchen Inhalts haben welche Verwaltungs-abteilungen dem Gemeinderat in Sachen Armeeunterstützung für die EURO 08

in Bern unterbreitet?

b) Haben der Beschlussesentwurf oder die Beschlussesentwürfe Veränderungen erfahren, und zwar welche, oder wurden er oder sie unverändert zum Beschluss

oder zu Beschlüssen erhoben?

c) Ersetzte der Gemeinderat Beschlüsse in dieser Sache durch anders lautende Beschlüsse, fasste er einen oder mehrere Beschlüsse und wie lauten die einzelnen Fassungen aller Beschlussesentwürfe und Beschlüsse?

d) Wie lässt es sich erklären, dass der Gemeinderat in einer politisch so wichtigen und umstrittenen Frage fehlerhafte Entwürfe angeblich unbesehen und unbemerkt zu Beschlüssen erhebt?

e) Wie lauteten in dieser Sache die genauen Auskünfte der Direktorin SUE an die Medien und wie weit treffen sie zu?

2. Wie kommt die gegenwärtige Mehrheit des Gemeinderates dazu, die grosse politische und rechtliche Bedeutung dieser Frage derart zu verkennen und sich im Schlepptau der derzeitigen politischen Ausrichtung innerhalb der Direktion SUE

zum Vorreiter der militärischen Einmischung in die Innere Sicherheit zu machen?

3. Erfolgte das Ersuchen des Gemeinderates in Absprache mit den operativ verantwortlichen Stellen der Stadt- und Kantonspolizei, den anderen Austragungsorten (Host Cities) und dem Polizeibeamtenverband?

Wenn ja, was waren die Ergebnisse, und wenn nein, warum nicht?

4. Welche Abklärungen hat der Gemeinderat vorgenommen, um zum Schluss zu gelangen, dass die zivilen Kräfte (Polizei, Zivilschutz, Feuerwehr, Sanitätsdienst usw.) im Rahmen der EURO 08 tatsächlich nicht genügen?

Was ergaben diese Abklärungen im Einzelnen?

5. Wie will der Gemeinderat sicher stellen, dass Militärpersonen wenn schon ohne polizeiliche Befugnisse, unbewaffnet und auch ohne Publikumskontakte tätig sein würden?

6. Ist der Gemeinderat bereit, im Interesse einer klaren Aufteilung der Verantwort-lichkeiten für eine Rückabwicklung dieser geplanten Vermischung von Armee und Polizei noch vor der EURO 08 zu sorgen?

7. Will der Gemeinderat fortan der Wahrung zentraler staatspolitischer Interessen

wie dem zivilen Charakter der Inneren Sicherheit das nötige Gewicht geben und darum auf die Anrufung militärischer Unterstützung in der Erfüllung von Sicherheits-aufgaben verzichten?

8. Ist der Gemeinderat bereit, dafür einzutreten, dass dem Eindringen der Armee in den Polizeibereich auch im Rahmen von Police Bern ein Riegel geschoben wird?

Begründung der Dringlichkeit:

Das Gesuch an die Armee soll bereits eingereicht sein, die EURO 08 lässt nicht mehr lange auf sich warten. Zudem neigen Sicherheitsdispositive ohnehin dazu, sich rasch zur Doktrin zu verfestigen. Eine Rückabwicklung der eingeleiteten Tendenz muss darum rasch erfolgen, was eine baldige Beantwortung der gestellten Fragen voraussetzt.

Bern, 7. September 2006

Daniele Jenni (GPB-DA)