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Zu den Ausschreitungen in Clichy-sous-Bois
Donnerstag, den 03. November 2005 um 09:38 Uhr
C&P http://de.indymedia.org
Auf Indymedia Lille ( http://lille.indymedia.org) habe ich einen Hinweis auf einen Artikel im französischsprachigen Internet-Portal www.afrik.com gefunden, der die Sicht von Bewohnern und Bewohnerinnen des Pariser Vortortes Clichy-sous-bois auf die seit Tagen andauernden Straßenschlachten zwischen Jugendlichen und der Polizei schildert.
Außerdem findet sich dort ein Handy-Video, das Polizisten zeigt, die mit Gummi-Geschossen Jagd auf Jugendliche machen. Im Folgenden mein Versuch einer Übersetzung des Artikels für alle die, die nicht Französisch verstehen (ja, ist verbesserungsfähig, aber es ist spät...). Text und Video finden sich unter der Adresse http://www.afrik.com/article8965.html
Ausschreitungen in Clichy-sous-bois: Jugendliche erheben Vorwürfe gegen die Polizei
Zwischen polizeilicher Provokation und Repression
Sonntag, 30. Oktober 2005, von David Cadasse
Angesichts des Aufruhrs, der auf das Drama der beiden Halbwüchsigen folgte, die durch einen Stromschlag in einem Transformator der EDF ums Leben kamen, als sie versuchten, "vor der Polizei zu flüchten", werfen die jungen Leute von Clichy-sous-bois (Pariser Vorort) den Ordnungskräften vor, Öl ins Feuer zu gießen - durch bewusste Provokationen und Schüsse mit Gummigeschossen. Afrik ist an ein Video gelangt, das die Gewalttätigkeiten der Polizei zeigt, und hat bei einem Treffen zwischen Bürgermeister und Jugendlichen Augenzeugenberichte gesammelt.
Sonntag, 15 Uhr, am Rathaus von Clichy-sous-Bois: der Bürgermeister hat ein informelles Treffen mit Jugendlichen organisiert. Diese sind allesamt sehr aufgebracht oder enttäuscht angesichts des Verhaltens der Polizei am Vorabend. Die Stadt hatte einen Schweigemarsch im Andenken an die beiden Jugendlichen organisiert - Ziad und Banou, am letzten Donnerstag in einem Werk der EDF bei lebendigem Leibe verbrannt, als sie von der Polizei verfolgt wurden oder glaubten, von der Polizei verfolgt zu werden. Auch wenn die Spannungen nach zweitägigen Ausschreitungen etwas nachgelassen haben, werfen die Jugendlichen den Ordnungskäften vor, den Hass hervorzurufen und zu nähren - durch vielfache Provokationen, Missbrauch ihrer Autorität und willkürliche Repression.
"Alle Kräfte, die die Situation beruhigen wollten, haben enorm viel dafür getan. Der Marsch ist ruhig verlaufen, aber am Abend haben die CRS die Jugendlichen angestachelt und provoziert.", gibt ein Mitglied des Rathauses unter Vorbehalt der Anonymität zu. Auf dem Parkplatz des Rathauses haben sich mehr als 150 junge Leute vor allem afrikanischer Herkunft (Schwarz- und Nord-Afrika) versammelt, um den Bürgermeister zu hören. Dieser legt Wert auf den Hinweis, dass es die Stadt ist, die die gesamten entstandenen Schäden wird bezahlen müssen, und damit der Steuerzahler. Er will eine Lösung zwischen den Menschen der Stadt finden und scheint den Faktor, den die Polizei darstellt, beiseite schieben zu wollen. Alle sagen frei, was sie denken.
In der Menge lösen sich die Zungen. Kleine Gruppen bilden sich hier und da, um die Ereignisse des Vortages zu kommentieren. Alle prangern die Übergriffe und die Provokationen der Polizei an. Viele wurden Zeugen von Ausschreitungen oder selbst Ziel von Übergriffen. "Sie (die Polizisten, Anm.d.Red.) sind hitziger, sie provozieren uns stärker. Der Bruder eines der verstorbenen Kinder war wie immer bei uns, unten an seinem Wohnblock, als die Polizisten ankamen, mit ihren Flash Balls (Gewehre zum Verschießen von Gummigeschossen, Anm.d.Red.), und anfingen, uns zu mustern, um schließlich zu ihm zu sagen: 'Du, geh nach Hause zu deiner Mutter!' Er ist drei schritte auf die Bullen ["flics"] zugegangen, um mit ihnen zu reden, da hat einer der Bullen zu ihm gesagt: 'Stopp, oder ich zünde dich an!'. Wir sind bis in die 10.Etage geflüchtet, sie haben angefangen, Gaspatronen in die Eingangshalle zu schießen." erzählt Jérémy empört.
Familienmütter beschimpft, als sie aus der Moschee kamen
"Sie erzählen alle Scheiße, besonders die Journalisten", ereifert sich Youcef, als er das Team von Capa-Production (Le Vrai Journal, Fernsehsendung auf CanalPlus) sieht, wie sie, umringt von Jugendlichen, Aufnahmen machen und Kommentare sammeln."Sie haben gleich angefangen, den Ruf der Opfer zu beschmutzen, obwohl der Staatsanwalt von Bobigny heute zugibt, dass sie der Polizei nie negativ aufgefallen waren. Die Medien wollen uns alle als Gesindel darstellen, dabei ist es die Polizei die die Jugendlichen provoziert, um bei der geringsten Gelegenheit zuzuschlagen oder zu schießen."
"Wir kamen aus der Moschee, und die Polizei hat uns umzingelt, Flash Ball im Anschlag. Sie haben uns angegriffen, aber am meisten schockiert hat uns, als sie auf die Familienmütter, die vom Gebet kamen, anlegten und anfingen sie zu beschimpfen: 'Verpisst euch, Hurenbande, und passt besser auf eure Kinder auf!'", erzählt Morad voll unterdrückten Zorns. Er scheint zwar nicht von der Art zusein, die die Konfrontation mit den Ordnungskräften propagiert, aber es zügeln sich nicht alle so wie er.
Ordnungskräfte ... oder Unordnungskräfte?
Die Anspannung ist greifbar. Um so mehr als sich drei Polizeiwagen 50m entfernt vom Rathaus postiert haben. Einer der Polizisten hat seinen Flash Ball in der Hand, den Finger am Abzug. Für die Menge ist das eine weitere Provokation. Die Gemüter erhitzen sich etwas. Zwei Personen fangen an, zur Menge zu reden und einen Angriff auf die Polizei zu propagieren: "Kommt, wir sind mehr als sie, wir gehen alle hin und nehmen sie auseinander ["on leur pète leur mère"]!", schreit einer von ihnen. Glücklicherweise sind die Anhänger der Ruhe und des Dialogs zahlreicher. Es gelingt ihnen, die Reihe von Jugendlichen, die sich gegenüber den Polizeiwagen gebildet hat, zu zerstreuen.
"Sie provozieren uns zu sehr, auf Freunde von mir wurde geschossen, einfach so, grundlos, mit Plastikkugeln. Das kann nur Gewalt erzeugen. Alle sind erhitzt. Wenn es jetzt knallen soll, wird es knallen. Ich habe keine Angst vor ihnen und ihren Waffen. Wir werden soweit kommen, uns Waffen zu besorgen. Das wird wie in Amerika werden hier.", prophezeiht Jonathan.
"Die Polizei hat mich um vier Uhr morgens angehalten. Ich war allein im Auto. Sie durchsuchten das Fahrzeug und fanden einen Baseball-Schläger in meinem Kofferraum. Als sie mich fragten, warum ich einen Schläger habe, hab ich ihnen geantwortet, dass es nicht verboten sei, einen Baseball-Schläger in seinen Kofferraum zu stecken. Sie haben mir geantwortet:'Und es ist verboten, wenn ich ihn dir in die Fresse stecken würde!'. Dann haben sie angefangen, mir zu sagen 'Wir sind hier nicht in Beirut' und mich zu beschimpfen 'Scheiß kleine, schwule Sau' ["espece de petit pédé"]. Einer von ihnen wollte mich unbedingt heulen sehen. Er hat sich direkt vor mich gestellt und hat gesagt 'Heul!'. Während der das wiederholte, kam glücklicherweise ein Auto von Journalisten vorbei. Ich habe gerufen und sie haben angehalten. Bevor sie ankamen, entfuhr dem Polizisten noch, dass er keine Journalisten mag, aber er konnte nichts anderes machen, als mich in Ruhe zu lassen."
Die Polizei komplett gedeckt von Nicolas Sarkozy
Im Drama von Clichy-sous-Bois stehen sich zwei Versionen gegenüber - bezüglich der Frage, ob die Polizei die beiden von einem Fußballspiel kommenden Jugendlichen verfolgte oder nicht: die Version der Polizei und die der Jugendlichen der Stadt. Das Problem ist, dass es Zeugen gibt. Einer der verfolgten Jugendlichen erzählt, dass er sich versteckte, während seine drei Freunde geradewegs zur Station der EDF rannten. Aber auch abgesehen von dieser Zeugenaussage versteht so mancher die Version der Polizei nicht. "Warum wurden einige andere Jugendliche verhaftet, wenn sie sie nicht verfolgten, wo doch alle die Flucht ergriffen hatten?", fragen sich die einen. "Warum hätten die Jugendlichen beschließen sollen, eine drei Meter hohe Mauer mit Stacheldraht zu besteigen?", fragen sich die anderen. So viele Fragen, die die Polizei einfach wegwischt.
Innenminister Sarkozy hat am Sonntag in den 20 Uhr-Nachrichten von TF1 erklärt, dass nach allem, was er weiß, gelte: "Die Polizei hat die Jugendlichen nicht verfolgt." Er wolle "allen die Wahrheit sagen", und legte Wert darauf, "die bemerkenswerte Arbeit der Polizisten zu würdigen" und sie zu den verschiedenen Verhaftungen "zu beglückwünschen". Ein Sicherheits-Diskurs, der für viele eine gefährliche Vermischung nährt - alle Verhafteten waren Schurken - und die Straflosigkeit der Ordnungskräfte gutheißt.
Ein für die Ordnungskräfte erdrückendes Video
Nicolas Sarkozy hat ein weiteres Mal daran erinnert, dass er beabsichtigt, gegenüber urbaner Gewalt "Null-Toleranz" walten zu lassen. Er bezichtigt die Polizei zu großer Nähe und fordert nunmehr, die Zahl der Verhaftungen zu verfielfachen. Wohlverstanden, dass "die wahren Jugendlichen" nichts von der Polizei zu befürchten haben. Unterdessen begann sich der Sicherheitsapparat, bestehend aus mehr als 400 CRS, Gendarmen und Polizisten, in Stellung zu bringen, um die Stadt zu überwachen.
Hat die Polizei, unterstützt vom Innenminister, alle Rechte? Ein Video, gedreht mit einem Handy, zirkuliert derzeit in den Vierteln. Ein Dokument, betitelt "Sarkos neue Bullen", das Afrik übergeben wurde und zum Teil online betrachtet werden kann. Da sieht man ein Polizeiauto mit offenen Türen. Man glaubt zu erahnen, dass ein Polizist ein Wurfgeschoss abkriegt. Der Gegenschlag folgt umgehend. Man sieht deutlich, wie Polizisten in zivil mehrfach mit ihren Flash Balls schießen, zweimal fast aus nächster Nähe. Man sieht sie den jugendlichen hinterherrennen und schreien "Kommt zurück, Bande von Bastards!".
"Manche der Gummikugeln sind sogar signiert.", erzählt Kader. "Ein Kerl hat eine Kugel aufgesammelt, die die Inschrift trug: 'Boum, boum, in deinen Arsch, bis bald, Luc'. Der Bruch zwischen Jugendlichen und Polizei scheint definitiv und die Lage verfahren. Zwischen dem Diskurs der Politiker, die das Treiben der Polizei unterstützen, und den Medien, denen vorgeworfen wird, die Wahrheit zu verschleiern und zu verstümmeln, nähren das Misstrauen und das Schnauze-voll-Gefühl einen Hass, der leider zum Schlimmsten führen könnte.
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Mini-Glossar:
EDF - "?lectricité de France"; größter Stromversorger in Frankreich, ehemals monopolistischer Staatsbetrieb, heute (teil-?)privatisiert in einem liberalisierten Strommarkt.
CRS - "Compagnies républicaine de sécurité"; Spezial-Polizeitruppe für Einsätze bei Demonstrationen und für den Zivilschutz; seit jeher beliebt und berühmt für besonnenes Vorgehen gegenüber Demonstranten (hahaha).
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Einige Trockene Fakten aus den Bügerlichen Medien:
"Seit Anfang des Jahres sind in Frankreich 9000 (!) Polizeiautos mit Steinen beworfen worden, und jede Nacht werden 20 bis 40 Autos angezündet. Alleine In Lyon sind 800 Autos ausgebrannt laut Polizeistatistik. Die Polizei hat dann am 30. eine Tränengasgranate in eine Moschee geworfen -- während des Abendgebets. Kurz gesagt: ein Pulverfaß. Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft spricht von "Bürgerkrieg". 150 Feuer brennen in der Region, und in der Nacht sind alleine 69 Autos ausgebrannt."