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Zweite Chance auf Asyl in der Schweiz

Ausländer können in der Schweiz auch dann noch als Flüchtlinge anerkannt werden, wenn sie zuvor in einem EU- oder EWR-Staat erfolglos um Asyl ersucht haben. Die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) hat ein Grundsatzurteil gefällt.
 
Laut Artikel 32 des Asylgesetzes ist auf Asylgesuche von Personen grundsätzlich nicht einzutreten, die in einem Staat der EU oder des EWR bereits einen ablehnenden Asylentscheid erhalten haben. Gemäss dem Grundsatzentscheid der ARK soll diese Bestimmung nicht so absolut gelten, wie ihr an sich klarer Wortlaut vorgibt.

«Vermutung» umstossen
Ziel des Gesetzgebers sei es nicht gewesen, auch echte Flüchtlinge von einer materiellen Prüfung ihres Asylgesuches in der Schweiz auszuschliessen. Die Absicht habe vielmehr darin bestanden, unbegründete Zweitgesuche in der Schweiz zu vermeiden, beziehungsweise möglichst effizient zu behandeln.

Der ablehnende Asylentscheid aus einem EU- oder EWR-Staat sei deshalb kein absolutes Hindernis für ein Asylgesuch in der Schweiz. Der Wortlaut der fraglichen Norm sei so zu konkretisieren, dass aufgrund des ausländischen Entscheides lediglich die «Vermutung» bestehe, dass die betroffene Person kein Flüchtling sei.

Sie behalte aber die Möglichkeit, diese Vermutung durch substanzielle Argumente gegenüber den Schweizer Asylbehörden umzustossen. Gelinge dies, sei auf das Asylgesuch einzutreten und zu prüfen, ob der Ausländer ein Flüchtling sei. Im konkreten Fall hat die ARK die Beschwerde eines Kurden gutgeheissen.

In Deutschland erfolglos
Er hatte in Deutschland bereits ein Asylgesuch gestellt, das letztinstanzlich vom Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg abgewiesen worden war. Das Bundesamt für Migration war auf sein anschliessend in der Schweiz gestelltes Asylgesuch unter Verweis auf Artikel 32 des Asylgesetzes nicht eingetreten.

Gemäss ARK hat er im Rahmen des Asylverfahrens ernsthafte und gewichtige Argumente für seine Flüchtlingseigenschaft vorgebracht. Aufgrund der Beweismittel stehe fest, dass er unter dem Verdacht auf Unterstützung der PKK verhaftet worden sei. Das lasse auch die geltend gemachten Folterungen plausibel erscheinen.

Auch im revidierten Asylgesetz
Der fragliche Artikel sei im Rahmen von Sparmassnahmen ins Asylgesetz aufgenommen und damals kaum diskutiert worden, sagte Jürg Schertenleib von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe auf Anfrage. Eine Umkehr bedeute der ARK-Entscheid nicht.

Es entspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Völkerrecht, Gesuche ein zweites Mal zu prüfen, wenn angenommen werde könne, dass jemand ungerechtfertigt in ein Verfolgerland zurückgeschickt werde. Das revidierte Asylgesetz, das 2007 teilweise in Kraft tritt, sehe diese Möglichkeit ebenfalls vor.

Auch das Dublin-Abkommen, das in der Schweiz noch nicht in Kraft ist, schliesst diese Möglichkeit nicht aus. Jedes Vertragsland kann abgewiesene Asylsuchende erneut zum Verfahren zulassen, übernimmt damit aber die Verantwortung für die Gesuchsteller.

Laut Schertenleib ist der fragliche Passus im Asylgesetz seit 1. April 2004 in Kraft. Seither wurden bis Ende Oktober 2006 7685 Nichteintretensentscheide verfügt, 445 davon für in EU- und EWR- Staaten abgewiesende Asylsuchende. Nur wenige davon dürften angefochten sein, vermutete Schertenleib. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement verzichtete auf eine Stellungnahme zum ARK-Entscheid.