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Polizei kesselt und nebelt Antifaschisten ein

Eine unbewilligte Demonstration gegen Neonazis in Thun ist von einem massiven Polizeiaufgebot mit Tränengas und Gummischrot aufgelöst worden.
Die Kantonspolizei Bern hat rund 350 Leute daran gehindert, in der Thuner Innenstadt gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Weil die Demonstration unbewilligt war, müssen die Teilnehmer mit einer Strafanzeige rechnen.
 
Ein Zeichen gegen rechts hatte die Antifa Berner Oberland setzen wollen. Eine «friedliche, bunte, fröhliche und lautstarke Demonstration» sollte der Antifaschistische Abendspaziergang durch die Thuner Innenstadt werden. Doch aus dem Spaziergang wurde nichts. Die Demonstranten wurden auf dem Thuner Bahnhofsplatz von einem massiven Polizeiaufgebot der Kantonspolizei Bern empfangen. Im «Bund» vom Samstag hatte der Thuner Polizeichef Beat Hadorn angekündigt, dass die Polizei «grundsätzlich keinen Umzug zulassen» werde. Gepanzerte Polizeifahrzeuge mit Blaulicht und rund 300 Polizisten in Kampfmontur machten deutlich, dass die Polizei gewillt war, diesen Auftrag strikte umzusetzen. Einen ersten Versuch der rund 300 Demonstranten, in die Bahnhofstrasse einzumarschieren, beantwortete die Polizei kurz nach halb neun Uhr abends mit drei Salven Gummischrot. Die Demonstranten versammelten sich danach in der Mitte des Bahnhofsplatzes. Dort warteten sie und vertrieben sich die Zeit unter anderem mit Singen, einer Polonaise und dem Skandieren von Parolen gegen Neonazis und die Polizei.

Gummischrot und Tränengas

Währenddessen kesselte die Polizei die Demo-Teilnehmer ein und verkleinerte den Kessel unter wiederholtem Einsatz von Gummischrot und Tränengas sukzessive. Einen von anderen Demonstrationen hinlänglich bekannten Versuch der Demonstranten, als geschlossene Gruppe und mit erhobenen Händen den Polizeikordon zu durchbrechen, wurde mit Tränengas und Gummischrot vereitelt. Gegen zehn Uhr wies ein Polizeisprecher per Megafon die Demonstranten darauf hin, dass sie an einer unbewilligten Demonstration teilnähmen. Wer wolle, könne den Bahnhofsplatz unter Hinterlegung der Personalien durch den Haupteingang des Bahnhofs verlassen. Wer dies nicht tue, werde festgenommen. Dieser Aufforderung folgten alle Demonstranten. In Gruppen wurden die kontrollierten Personen von der Polizei entlassen, viele bestiegen die Züge nach Bern.
Das Prozedere der Personenkontrollen zog sich bis nach Mitternacht hin. Insgesamt seien rund 350 Personen kontrolliert worden, sagte Jürg Mosimann, Sprecher der Kantonspolizei Bern, gestern auf Anfrage. Diese Personen müssen nun laut dem Vorsteher der Direktion Sicherheit der Stadt Thun, Gemeinderat Heinz Leuenberger (sp), mit einer Strafanzeige wegen Beteiligung an einer unbewilligten Demonstration und einer Busse zwischen 100 und 5000 Franken rechnen. So sehe es das Ortspolizeireglement der Stadt Thun vor.

«Das passiert nicht noch einmal»

Mosimann zog eine positive Bilanz. Es sei zu keiner Eskalation gekommen, und es habe keine verletzten Personen gegeben. Leuenberger, der die Ereignisse am Samstag vor Ort beobachtet hatte, sagte gestern auf Anfrage, dass sein Auftrag, die Demonstranten nicht in die Innenstadt zu lassen, von der Kantonspolizei Bern vollumfänglich und verhältnismässig erfüllt worden sei. Seit Anfang August habe er vergeblich versucht, telefonisch und per E-Mail mit den Organisatoren ins Gespräch zu kommen. «Ich habe von Anfang an klar gesagt, dass ohne Bewilligung nichts geht», sagte Leuenberger. Nach den Ereignissen vor zwei Jahren, als beim letzten antifaschistischen Abendspaziergang in der Thuner Innenstadt Sachschäden in der Höhe von 200 000 Franken verursacht worden seien, sei für ihn klar gewesen: «Das passiert nicht noch einmal.» Leuenbergers Fazit: «Mit uns kann man reden, aber wenn man nicht will, dann ist die Antwort eben die, welche man am Samstag auf dem Bahnhofsplatz gesehen hat.»
Daniele Jenni, linksgrüner Berner Stadtrat, der an der Demonstration teilnahm, bezeichnete das Vorgehen der Polizei als unverhältnismässig. Er sei überzeugt, dass die Demonstration friedlich verlaufen wäre, sagte Jenni. Zudem sei die Rechtsgrundlage, auf die sich die Stadt Thun stütze, unzureichend. Analog zu Bern, wo Christiane Brunner vor Gericht freigesprochen worden sei (der «Bund» berichtete), könne auch Thun nicht Personen büssen, nur weil sie an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen hätten. Sollte die Stadt Thun dennoch Bussen aussprechen, sei er sehr zuversichtlich, dass diese einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten würden, so Jenni. Das Hauptproblem in Thun sei aber, dass die Stadt offensichtlich nicht in der Lage sei, mit den Rechtsradikalen fertig zu werden, die sich in Thun breitmachten. «Deshalb versuchen sie, das Problem zu vertuschen und verhindern Veranstaltungen, die darauf aufmerksam machen wollen.»