Newswire
Neonazis leisten ungehindert Militärdienst
Read more...
Communiqué von A-Perron zum Angebot der Stadt Thun
Read more...
Thun schafft Freiraum für die Jugend
Read more...
Communiqué zum Nächtlichen Tanzvergnügen 2.0
Read more...
Spur der Neonazimorde führte in die Schweiz
Read more...
Veröffentlichen
> News eintragen
> Termin eintragen
> Link melden
Hat Spiez ein ?Neonazi?-Problem?
Donnerstag, den 15. Juli 2004 um 00:00 Uhr
Rassistische Gewalt in Spiez: Mehrere rechtsradikale Übergriffe in jüngster Zeit werfen Fragen aufEine Aktionsgruppe
ruft gegen rechtsextremistische Gewalt auf, ein Jugendarbeiter reicht
Anzeige gegen Unbekannt ein – nach wiederholten Übergriffen
«gegen Ausländer und Andersdenkende». Hat Spiez ein Problem
mit «Neonazis»?
franziska ramser
«Zunehmende Gewalt
in Spiez» ist auf dem Flyer, der in den letzten Wochen an viele
Haushalte im Ort verteilt wurde, zu lesen. «Eine kleine Gruppe von
Rechtsextremisten», so das Flugblatt, sei für Übergriffe
«gegen Ausländer und Andersdenkende» in letzter Zeit
verantwortlich zu machen. Die Spiezer werden aufgefordert, nicht wegzuschauen
und «Courage» gegen den «Faschismus» zu zeigen.
Der Flyer verweist auf die Website der Aktionsgruppe «No Nazis Spiez».
Sie seien «ein Zusammenschluss von mehreren Personen aus der Region
Spiez», geben «No Nazis Spiez» bekannt – Namen
sind indes keine zu finden, die Aktionsgruppe bleibt anonym. Man wolle
sich wehren gegen «kriminelles und gewaltsames Handeln» und
gegen «rechtsextreme Ideologien», ist auf der Website zu lesen.
Entwickelt sich in Spiez eine Neonaziszene?
Jugendarbeiter macht
Anzeige
Dass sich die Übergriffe von rechtsextremer Seite in letzter Zeit
häufen, haben offenbar nicht nur die Leute von «No Nazis Spiez»
beobachtet. Ende Juni haben ein Jugendarbeiter und eine Bürgerin
gemeinsam Anzeige gegen die an den Vorfällen Beteiligten eingereicht.
Sie erheben mehrere Vorwürfe: Die Täter provozieren und bedrohen
laut Anzeige die Spiezer Jugendlichen, zwangen zwei Männer zum Hitlergruss
und haben am Pfingstwochenende in der Spiezer Bahnunterführung einen
Mann tamilischer Herkunft brutal zusammengeschlagen. Ausserdem wird ihnen
versuchter Drogenhandel vorgeworfen. Zwar kenne er die Schläger,
sagte der Jugendarbeiter gegenüber dem «Bund», «aber
nicht mit Nachnamen». Die Anzeige hat er gegen Unbekannt eingereicht.
Er sehe sich als «Breschenschlager», wolle mit seiner Anzeige
die Opfer ermutigen, sich bei der Polizei zu melden. Er selbst bleibt
anonym, zu seinem eigenen Schutz, sagt er. «Die Täter kennen
mich.»
Es habe schon immer Rechte gegeben in Spiez, so der Jugendbetreuer, bisher
seien sie aber keine Bedrohung gewesen. «So schlimm war es vorher
nie.» In ein «Wespennest» will er aber dennoch nicht
gestochen haben: Das seien eher «drei bis vier Spinner» als
eine organisierte Gruppierung, gibt sich der Jugendarbeiter überzeugt.
Allerdings rufen die Ereignisse einen anderen, dramatischen Vorfall in
Erinnerung: «Es sind nur drei Jahre und 20 Kilometer bis nach Unterseen»,
zitierte der «Berner Oberländer» aus der Anzeige, die
der Spiezer Jugendarbeiter und die Bürgerin eingereicht haben. Sie
spielen damit auf den Mord an Marcel von Allmen an, der damals von seinen
rechtsextremen Gesinnungsgenossen getötet wurde.
«Nazis» aus dem Simmental?
Wie der Jugendarbeiter vermuten auch «No Nazis Spiez» kein
systematisches Vorgehen hinter den Ereignissen in Spiez: In einer Stellungnahme
gegenüber dem «Bund» schätzen sie die «Spiezer
Neonazis» als «nicht so gut organisiert» ein. Eine grössere
Gefahr drohe von «Nazis aus dem übrigen Kanton und anderen
Städten der Schweiz» – ihre Herkunft habe man aufgrund
der Autonummern bestimmt –, die Spiez erkundeten, Leute beobachteten
und fotografierten. Die seien «viel besser organisiert» und
pflegten Kontakt zur «gesamtschweizerischen Naziszene». Mit
den Vorfällen in jüngster Zeit hätten diese «Nazis»
aber nichts zu tun. Wer dafür verantwortlich zu machen ist, glauben
«No Nazis Spiez» genau zu wissen: «Wir kennen ihre Namen
und Adressen.» Die drei Täter stammten aus dem nahen Erlenbach.
Sie kämen wohl aus dem Simmental nach Spiez, «weil es der nächstgrössere
Ort» sei und sich hier «linke Jugendliche» aufhielten.
Und wahrscheinlich, so vermuten «No Nazis Spiez», wollten
die Erlenbacher in Spiez «Leute für ihr rechtsradikales Denken
rekrutieren».
«Sicher kein Hirngespinst»
Er wisse «klar nicht», von wem geredet werde, sagt der Spiezer
Gemeindepräsident Franz Arnold (sp) auf die Frage, ob ihm die an
den Schlägereien Beteiligten bekannt seien. Klar ist für ihn
aber, dass sich «einige Leute so verhalten, dass man nicht darüber
hinwegsehen kann». Eine Häufung solcher Ereignisse sei ihm
nicht bekannt, so Arnold, aber «der Rechtsradikalismus ist sicher
kein Hirngespinst». Er sei latent in den Köpfen vorhanden und
zuweilen komme es zu Übergriffen. Es sei aber nicht so, «dass
Spiez geschlafen hat». Man wisse, was in Spiez soziokulturell gehe,
und sei «am Werk». Grundsätzlich möchte Arnold die
«Gewaltakte» aber «von der Gemeindeebene trennen»:
Die Vorfälle hätten «mit Spiez an sich nichts zu tun»,
hätten auch anderswo stattfinden können.
Für die Kantonspolizei, bei der die Anzeige gegen Unbekannt eingereicht
wurde, gestalten sich die Ermittlungen aber schwierig: Man nehme solche
Ereignisse «todernst», sagt der Presseverantwortliche Jürg
Mosimann. Aber weder die Opfer noch allfällige Zeugen haben sich
bei der Polizei gemeldet. Auch auf den Aufruf, sich mit Hinweisen und
Informationen zu melden, seien bisher jegliche Reaktionen ausgeblieben.