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Die Posieraufl?ufe der Militanten und die Medien
Samstag, den 30. Juli 2005 um 07:39 Uhr
Jene prächtige Bergwiese, wo sich 1291 die drei Urstände zum Rütlischwur versammelt haben sollen, wurde 1860 von der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) dem Bund als «unveräusserliches Nationaleigentum» vermacht – mit der Auflage, dass die gemeinnützige Gesellschaft jeweils in Eigenregie eine 1.-August-Feier durchführt.
Jene prächtige Bergwiese, wo sich 1291 die drei Urstände zum Rütlischwur versammelt haben sollen, wurde 1860 von der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) dem Bund als «unveräusserliches Nationaleigentum» vermacht – mit der Auflage, dass die gemeinnützige Gesellschaft jeweils in Eigenregie eine 1.-August-Feier durchführt.Von Zeit zu Zeit schickte der Bundesrat einen Vertreter aus, auf dass dieser dem nationalen Feiertag am Vierwaldstättersee ein gouvernementales Häubchen aufsetze. Ausserhalb der Innerschweiz interessierte sich jahrzehntelang niemand für die Feier der Rütlipatrioten.
Bis zum 1. August 2000. Seither ist die schläfrige Vaterlandsliebe dahin – Skinheads hatten den damaligen Bundespräsidenten Villiger ausgebuht. Für den «Blick» ein Topthema: Die grösste Zeitung der Schweiz betitelte ihre 14-tägige Artikelkampagne mit «Die Schande vom Rütli» und spielte indirekt den Skinheads einen Steilpass zu. Auf einmal hatte die rechtsradikale Szene mit dem 1. August auf dem Rütli einen Propagandahebel in der Hand, der die Medien unter Zugzwang setzte. Doch nicht genug: Im letzten Jahr hievten sich auch die Linksautonomen, vornehmlich in Gestalt des Schwarzen Blocks, mit einer Gegendemonstration in Luzern auf die 1.-August-Bühne.
Für dieses Jahr prognostiziert Urs von Däniken, der oberste Staatsschützer der Schweiz, bis zu 600 Skinheads auf der Rütliwiese und 1000 Antifaschisten in Luzern. Die Konstellation ist eigenartig: Die nationalistische Rechte bedient sich mit einem «Heraus zum ersten August!» im linksradikalen Slang. Derweil mobilisieren die Antifaschisten gegen die Neonazis auf dem Rütli und distanzieren sich aber gleichzeitig vor dem 1. August, mit dem sie gar nichts am Hut haben wollen.
Anstatt eine angestaubte Portion Patriotismus bekommt das Schweizer Volk am 1. August also neuerdings eine Packung militante Verwirrung verabreicht – und was macht der Bundesrat? Bundespräsident Samuel Schmid, der heuer dran ist, lässt 350 Hobbysportler auf dem Rütli aufmarschieren. «Bewegung schafft Begegnung», so das Motto. Gegenüber den Skinheads wird sich der Bundesrat also ähnlich verhalten, wie es die Rütlifeierorganisatoren in den letzten Jahren gemacht haben: so gut wie möglich ignorieren.
Stellen Sie sich Folgendes vor: 500 Linksautonome erklimmen das Rütli, um am 1. August in schwarzen Kapuzen und Skibrillen die Fäuste ins grelle Licht der Medien zu strecken? Und Publikum, Politik und Polizei lassen das Treiben zu. Unvorstellbar. Auf der Rütliwiese manifestiert sich das traditionelle Patriotismus-Dilemma gegenüber Rechtsaussenkräften zurzeit besonders ausgeprägt. Urs von Däniken selber hat die patriotische Gefühlsambivalenz gegenüber den Neonazis treffend umschrieben: «Die Rechten verbinden mit dem 1. August nationale Gefühle und möchten nicht, dass dieser entweiht wird.» Und die Rechtsradikalen wissen: Nur wenn sie anständig sind, ist ihnen die Bühne auch nächstes Jahr wieder gesichert.
Vielen Schweizern sind die Bilder von Glatzen auf der Rütliwiese zu Recht ein Dorn im Auge. So etwas dürfte es, sagen sie, nicht geben. In Deutschland haben die Behörden den Durchmarsch von Skindeads unter dem Brandenburger Tor untersagt. Auch Berns FDP-Sicherheits-Hardliner Kurt Wasserfallen findet – im Einklang mit dem «Blick» –, der Rütliaufmarsch der Rechtsextremen sollte verboten werden. Dieser Vorschlag ist demokratierechtlich fragwürdig, unverhältnismässig und letztendlich auch kontraproduktiv. Denn die Posieraufläufe der Militanten am 1. August werden sich erschöpfen. Die Freude an Raketen, die die Schweizer an diesem Tag in den Himmel abzufeuern pflegen, ist allemal grösser als die Kraft der Kläffer am Rande. Darum handelt der Bundesrat richtig – auch wenn es erneut hilflos wirken mag.
Anstatt Patriotismus bekommt das Volk am 1. August neuerdings eine Packung militante Verwirrung verabreicht.
Auf der Rütliwiese manifestiert sich das Patriotismus-Dilemma gegenüber Rechtsaussenkräften besonders ausgeprägt.