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«Welche Freude, Italiener zu töten»

Der Mythos der sauberen Wehrmacht wird weiter demontiert. Bisher geheime Abhörprotokolle zeigen, mit welchem Vergnügen die deutschen Soldaten mordeten – und was der Krieg aus Menschen macht.

basterds
 

Soldat Zotlöterer: «Ich habe einen Franzosen von hinten erschossen. Der fuhr mit dem Fahrrad.»
Soldat Weber: «Von ganz nahe?»
Soldat Zotlöterer: «Ja.»
Soldat Heuser: «Wollte der dich gefangen nehmen?»
Soldat Zotlöterer: «Quatsch. Ich wollte das Fahrrad haben.»
(Aus: Neitzel/Welzer: «Soldaten»)

Im Krieg ist das Töten eine normale Handlung, banal und emotionslos. Und Gründe für das Morden gibt es immer. Das belegt die Aussage von Wehrmachtssoldat Zotlöterer, der wegen eines Fahrrads einen französischen Zivilisten umbrachte. Töten macht sogar einen «Mordsspass», wie Gespräche von anderen deutschen Soldaten zeigen. «Es ist mir ein Bedürfnis geworden, Bomben zu werfen. Das prickelt einem ordentlich, das ist ein feines Gefühl», erzählt ein Luftwaffen-Oberleutnant. Und ein anderer Angehöriger der Wehrmacht frohlockt: «Welche Freude, Italiener zu töten.»

Neue Innenansicht des Zweiten Weltkriegs

Die erschreckenden Aussagen stammen aus bisher nicht ausgewerteten Abhörprotokollen von Wehrmachtssoldaten. Die Mitschnitte entstanden in Kriegsgefangenenlagern, in denen Briten und Amerikaner ab 1939 die deutschen Wehrmachtssoldaten bei ihren Zellengesprächen belauschten. Sie sprachen über den Alltag an der Front und militärische Geheimnisse, über ihre Sicht auf die Gegner, auf die Führung und auch auf die Judenvernichtung.

Die Auswertung von insgesamt 150'000 Seiten Abhörprotokollen führten zwei deutsche Forscher durch, der Historiker Sönke Neitzel und der Sozialpsychologe Harald Welzer. Ihre Erkenntnisse veröffentlichen sie in den nächsten Tagen in einem 524 Seiten starken Buch, das den schlichten Titel «Soldaten» trägt. Es beinhaltet «Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben», wie der Untertitel heisst. Die Studie hat schon vor ihrer offiziellen Präsentation für Aufsehen gesorgt. So berichtete das Magazin «Der Spiegel» von einem «Sensationsfund, der eine Innenansicht des Zweiten Weltkriegs ermöglicht und den Blick auf diesen verändern wird». «La Repubblica», die zweitgrösste Zeitung Italiens, widmete der Wehrmachtsstudie einen Artikel mit dem Titel «I racconti shock dei nazisti» («Die schockierenden Erzählungen der Nazis»).

Soldaten gewöhnen sich rasch an das Töten

Gemäss der «Spiegel»-Rezension ist den beiden Forschern Neitzel und Welzer eine Dokumentation der Kriegswahrnehmung in historischer Live-Aufnahme gelungen. Ihr Buch beschreibe eindrücklich, wie die Soldaten den Krieg erlebten, was sie fühlten und fürchteten und wie die Dauerpräsenz von Tod und Gewalt sie veränderte. Aufgrund der Abhörprotokolle lässt sich der Schluss ziehen, dass es nicht besonders viel braucht, um Männer in Uniformen zum Töten zu bringen. «Bei vielen dauert die Gewöhnungsphase gerade einmal ein paar Tage.» Dann gehe ihnen das Morden leicht von der Hand. «Nicht wenige Soldaten empfinden sogar offen eingestandenes Vergnügen dabei.»

Diese Erkenntnisse gelten selbstverständlich nicht nur für deutsche Soldaten, sondern für alle Menschen, die in einem Krieg kämpfen müssen.

Mythos von der sauberen Wehrmacht am Ende

Nach der umstrittenen Wehrmachtausstellung, die das Hamburger Institut für Sozialforschung von Jan Philipp Reemtsma in den 90er Jahren in Deutschland zeigte, ist die Soldatenstudie von Neitzel und Welzer ein weiterer substanzieller Beitrag, der das Bild der Wehrmacht, die nicht so schlimm wie die Waffen-SS gewesen sein soll, korrigiert. Der «Spiegel» meint gar, dass der Mythos von der sauberen Wehrmacht wohl endgültig begraben werden müsse.

Die Lust am Schwerverbrechen verdeutlichen weitere Beispiele aus den Abhörprotokollen von Wehrmachtssoldaten. So erzählt ein Pilot über seinen Einsatz in England folgende Begebenheit: «Dann sind wir im Tiefflug über die Strassen, und wenn uns Autos entgegenkamen, haben wir den Scheinwerfer angemacht, die dachten, es käme ihnen ein Auto entgegen. Dann haben wir mit der Kanone reingehalten. Damit hatten wir viele Erfolge. Das war sehr schön, das machte riesigen Spass.»

Und ein Obergefreiter erzählt folgende Episode vom Feldzug im Osten: «In einem Dorf in Russland waren viele Partisanen. Da ist es klar, man muss das Dorf dem Erdboden gleichmachen, ohne Rücksicht auf Verluste. Man hat Frauen und Kinder, alles niedergeschossen, die wenigsten davon waren Partisanen.»

Quelle: espace.ch