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Tschechische Neonazi-Partei "Dělnická strana" verboten
Donnerstag, den 18. Februar 2010 um 14:41 Uhr
Das tschechische Oberste Verwaltungsgericht in Brno hat am 17. Februar 2010 die Neonazi-Partei Dělnická strana (DS, Arbeiterpartei) verboten. Das Urteil des Gerichtssenats war einstimmig. Damit hat die dortige Neonaziszene zumindest auf Zeit ihr Flaggschiff verloren, mit dem sie im Mai in das tschechische Parlament einziehen wollte.Offene NS-Bezüge: Links NSDAP-Plakat, Logo der NS-Gewerkschaft "Deutsche Arbeiterfront", rechts Logo Dělnická strana und Website Foto
In der Tschechischen Republik ist das ein Präzedenzurteil. Hatte das Gericht bislang doch politische Parteien doch nur aus formalrechtlichen Gründen verboten, wenn sie die gesetzlichen Auflagen in Bezug auf Vorlage von Jahresberichten zur Buchhaltung oder Verwaltung einer Partei nicht erfüllten.
Der Senatsvorsitzende des Gerichts, Vojtěch Šimíček, bekräftigte in seinem Urteil, dass einige Punkte des Parteiprogramms verfassungswidrig sind. Das Gericht betonte, dass das tatsächliche Parteiprogramm sich aus den Stellungnahmen ihrer offiziellen Vertreter ergebe, und nicht nur aus dem offiziellen Programmtext.
Populistisch, chauvinistisch, rassistisch
Die Tätigkeit der DS könne als populistisch, chauvinistisch und rassistisch betrachtet werden. Anhand von Werbeshots der Partei habe nachgewiesen werden können, dass die Partei zum Beispiel die Roma pauschal bewerte und damit ihre Rechte einschränke. Der tschechische öffentlich-rechtliche Rundfunk hatte es abgelehnt, die Shots zu senden. Die von der Partei veröffentlichten Texte propagieren laut Gericht rassistische, ethnische und soziale Intoleranz und zielen auf die Beseitigung der demokratischen Grundlagen des Rechtsstaates hin, zu denen der Respekt vor dem Grundgesetz gehöre.
Der Parteivorsitzende sieht sich als "Märtyrer"
Der DS-Parteivorsitzende Tomáš Vandas erklärte anschließend, dass er Beschwerde beim Verfassungsgericht einlege. Er sei überzeugt, dass keine Beweise für ein Verbot vorliegen. Er fügte hinzu: "Die Tatsache, dass wir Märtyrer sind, kann letzten Endes ein Vorteil für uns sein."
Innenminister dankt NGOs
Martin Pecina, der tschechische Innenminister, bedankte sich im Anschluss an die Urteilsverkündigung unter anderem auch bei NGOs, die mit ihrer Arbeit zur Vorbereitung des Verbotsantrags beigetragen haben. Die Regierung hatte ihrem Verbotsantrag Fotos beigelegt, welche die tschechische "Antifaschistische Aktion" - übrigens von der Regierung als extremistisch eingestuft - auf ihrer Webseite veröffentlicht hatte. Auf den Fotos entboten Mitglieder der Partei den Hitlergruß. Die "Antifaschistische Aktion" wurde von den Behörden jedoch nie nach der Herkunft der Fotos oder ihrer eventuellen Zustimmung gefragt.
Entscheidend für das Gericht sei jedoch gewesen, dass die Partei eng mit der nicht amtlich registrierten neonazistischen und gerichtlich verbotenen Gruppierung "Nationaler Widerstand" ("Národní odpor") zusammenarbeite, die nachweislich existiere und verfassungswidrig handle.
Doch die "Arbeiterpartei" hat für die Parlamentswahlen im Mai vorgesorgt
Die "Arbeiterpartei" hatte schon im Vorfeld erklärt, dass sie auch im Falle eines Verbots an den für Mai angesetzten Parlamentswahlen teilnehmen werde. Auch wenn sie aus Zeitgründen bis Mai keine neue Partei mehr gründen und amtlich anmelden kann, hat sie schon ein weiters Ass im Ärmel. An der Adresse ihres Sitzes hat sich vor kurzem eine weitere Partei niedergelassen. Sie heißt "Arbeiterpartei für Soziale Gerechtigkeit" (DSSS). Ihre Vorsitzende ist die Mutter des DS-Parteivorsitzenden Tomáš Vandas.
Die Parteiführung will nun Beschwerde beim tschechischen Verfassungsgericht einlegen und diese hätte aufschiebende Wirkung. Trotz Verbot könnte die Partei also auch unter eigenen Namen an den Wahlen teilnehmen. Dies wäre allerdings mit dem Risiko verbunden, dass ihre Wählerstimmen im Falle einer Bestätigung des Verbots durch das Verfassungsgericht verfallen würden.
Partei rechnet durch Verbot mit Zulauf an Sympathisanten
Allem Anschein nach begrüßt die Parteiführung das Urteil. In Tschechien kann sie nach dem Verbot mit einem weiteren Zulauf von Sympathisanten rechnen, da weithin das alte Sprichwort gilt: Verbotene Früchte schmecken besser. Auch das Vorgehen der Parteiführung in der Vergangenheit lässt darauf schließen, dass die Partei ganz bewusst ein Verbot durch das Gericht heraufbeschwören wollte.
Allein die von der Partei verwendeten Symbole sind mehr als eindeutig.
Die Ähnlichkeit mit NS-Graphik ist frappierend. Laut Gericht war dies jedoch nicht entscheidend für den Gerichtsbeschluss. Nach tschechischem Recht kann schon morgen ein Partei mit dem gleichen Namen gegründet werden und vom Innenministerium registriert werden, sofern kein begründeter Verdacht einer künftigen verfassungsfeindlichen Tätigkeit vorliegt.
Pogromähnliche Unruhen gegen Roma
Laut Gericht habe die Partei Kundgebungen organisiert, die im Herbst 2008 und April 2009 zu pogromähnlichen Unruhen gegen Roma führten. Ausdrücklich wurde der "Kampf um Janov" erwähnt, bei dem Hunderte von ethnischen Tschechen die Ankunft von Mitgliedern der Partei in ihrem Stadtviertel begrüßten, in dem viele Roma wohnen. Es kam zu wüsten Straßenschlachten, ein Polizeiauto wurde angezündet, fünfzehn Beamte leicht verletzt, Sachschaden in Höhe von Millionen Euro angerichtet. Bislang ist jedoch niemand dafür vor Gericht gestellt worden. Laut Regierung versuche die Partei versuche durch ähnliche Aktionen an sozialen Brennpunkten "Kettenreaktionen" hervorzurufen und vor Ort bestehende Spannungen zu "eskalieren".
Schon 2008 gab es ein Verbotsverfahren, das scheiterte
Schon im Jahre 2008 hatte die Mitte-Rechts-Regierung von Mírek Topolánek ein Verbotsverfahren gegen die Partei eingeleitet. Das Gericht fegte im Frühjahr 2009 die Beweisführung der Regierung wegen Stümperhaftigkeit als "leider unzureichend" vom Tisch. Laut Gericht liege die Beweislast bei der Regierung und das Gericht könne nicht selbst Beweisanträge stellen. Dieses Manko scheint der neuerliche Verbotsantrag behoben zu haben.
Dem Gericht zufolge hat die Geschichte gezeigt, dass die Willkür einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit immer letzten Endes tragische Folgen für alle nach sich gezogen hat. Das Gericht betonte heute, dass auch wenn die Parteiführung unter der Fahne einer anderen Partei bei künftigen Wahlen kandidieren wird, habe sein heutiges Urteil eine wichtige "präventive" Funktion.
Die Urteilsverkündung wurde von einem Nachrichtensender in einer Live-Übertragung gesendet. Einer der Richter des Senats sagte auf der einstündigen Pressekonferenz des Gerichts nach der Urteilsverkündung: "Wenn Sie in der Wohnung Schimmel haben und nicht lüften, dann wird der Schimmel nicht verschwinden." Es geht also weiter.
Stimmen zum Urteil:
Dies ist ein kleiner Schritte im Kampf gegen Extremismus, der fortzuführen ist."
Martin Pecina, tschechischer Innenminister
"Es ist klar, dass es um einen radikalen Eingriff in den demokratischen Wettstreit politischer Parteien geht. Die Demokratie darf aber dann, wenn es zu einer Verletzung von grundlegenden Verfassungsprinzipien kommt, nicht tatenlos zusehen. Im Interesse der Verteidigung der Demokratie ist ein gesetzwidriges Handeln von politischen Subjekten effektiv zu bestrafen."
Mirek Topolánek, Vorsitzender der Bürgerlich-demokratischen Partei ODS
"Es ist gut, dass das Oberste Verwaltungsgericht die Arbeiterpartei aufgelöst hat. In diesem Land darf sich niemand fürchten, weder vor Nazis noch vor jemandem anderen."
Jiří Paroubek, Vorsitzender der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei ČSSD
"Es ist unbestreitbar, dass diese Partei in ihrem politischen Programm gezielt Hass gegen ethnische und andere Minderheiten, wie etwa die der Homosexuellen, hervorruft."
Michael Kocáb, tschechischer Minister für Menschenrechte und Minderheiten
Historischer Hintergrund
Die Arbeiterpartei, gegründet im Jahre 2003, hatte sich im Laufe ihres sechsjährigen Bestehens von einem deutsch-feindlichen Mauerblümchen zum Sammelbecken für Neonazis, Ethno-Nationalisten und Protestwähler gemausert. Während sie anfangs gegen Sudetendeutsche und tschechisches Duckmäusertum gegenüber deutschem Imperialismus gewettert hatte, arbeitete sie seit zwei Jahren eng mit der NPD zusammen und schrieb den Kampf gegen das System auf ihre Fahnen.
Der Parteivorsitzende Tomáš Vandas hatte sich bei seiner Rede auf dem "Fest der Völker" in Thüringen im September 2008 vor Konterfeis deutscher Wehrmachtsoldaten ablichten lassen. Dennoch konnte die Partei bei den folgenden Wahlen zum Europaparlament mehr als ein Prozent der tschechischen Wählerstimmen einfahren. Dafür gestand ihr der Staat kürzlich rund 30 tausend Euro als Erstattung der Wahlkampfkosten zu. Mit diesem Salär finanziert sie heute nicht nur den bevorstehenden Wahlkampf im tschechischen Superwahljahr 2010, sondern auch renommierte Rechtsanwälte für den Prozess über ihr eventuelles Verbot.
Jahrelang waren die tschechischen Ethno-Nationalisten und Neonazis in Splittergrüppchen aufgeteilt, die sich wegen ideologischer und strategischer Meinungsverschiedenheiten lieber untereinander stritten, als an einem Strang zu ziehen. Dies änderte sich vor zwei Jahren, als die Parteiideologen erkannten, dass ihnen für den Marsch durch die Institutionen die schlagkräftige Basis fehlt.
Nur eine Zusammenarbeit mit den Straßenkämpfern der amtlich nicht registrierten, dafür aber umso aktiveren Neonazi-Kameradschaften des "Národní odpor" (Nationaler Widerstand) und der Autonomen Nationalisten bot ihr eine langfristige Perspektive. Deren Führung scheute zwar anfangs den persönlichen Kontakt, um sich vor einer Unterwanderung der eigenen Reihen durch Polizeispitzel zu schützen.
Erst als die Parteiführung auf die Forderung der Neonazis nach einer Übernahme nationalsozialistischen "Gedankenguts" und einer Absage an den tschechischen "Revisionismus" einging, willigten die Kameradschaften ein, ihre Leute für Märsche und Kundgebungen der Partei zur Verfügung zu stellen. Condition sine qua non war allerdings, dass die "Legalen" über die Namen der zum großen Teil einschlägig vorbestraften Untergrundkämpfer Verschwiegenheit wahrte und deren Gesichter auf der Web-Seite der Partei unkenntlich macht.
Quelle: Netz gegen Nazis