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Slowakei: Strassenschlacht zwischen Faschos und Bullen
Sonntag, den 09. August 2009 um 11:54 Uhr
08.08.2009 / Šarišské Michaľany: Die beschaulichen Gemeinde Šarišské Michaľany, im Osten der Slowakei bot am vergangenen Wochenende einen Schauplatz der Gewalt. Neonazis aus der Slowakei, Tschechien und Ungarn lieferten sich am Samstag eine Straßenschlacht mit Einsatzkräften der Polizei. Hintergrund bildete eine nicht angemeldete Kundgebung der slowakischen Neonazigruppierung »Slovenská pospolitosť« (Slowakische Zusammengehörigkeit) welche sich gegen die Roma Minderheit in dem osteuropäischen Land richtete. Nachdem die Polizei einzelne Personen festnahm eskalierte die Situation.
Osteuropa erlebt seit Monaten einen spürbaren Anstieg der Gewalt gegen Angehörige der Roma-Minderheit. Erst am vergangenen Montag wurde eine Roma im ungarischen Kisléta hingerichtet. Die 45jährige, alleine erziehende Mutter, wurde im Schlaf mit einem Jagdgewehr erschossen. Eine ebenfalls anwesende 13jährige Tochter wurde durch Schüsse in den Kopf, Oberkörper und in den Arm schwer verletzt und schwebt derzeit in Lebensgefahr. Die ungarischen Behörden schließen einen rassistischen Hintergrund nicht aus. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu gewalttätigen Attacken und Angriffen auf Roma. In den letzten zwei Jahren wurden in Ungarn mindestens 8 Menschen ermordet, dutzende verletzt - immer wieder kommt es zu Brandanschlägen auf Wohnhäuser und Unterkünfte. Im vergangenen Februar wurde zuletzt ein 27jähriger Mann und sein fünfjähriger Sohn im ungarischen Tatarszentgyörgy von Unbekannten erschossen. Politiker in Ungarn warnen immer wieder vor »bürgerkriegs-ähnlichen Zuständen« denen sich die Roma-Minderheit gegenüber sieht.
Diese Zustände sind dabei nicht auf Ungarn beschränkt. Auch in der Tschechischen Republik sorgen Gewalttaten gegen Roma immer wieder für Negativschlagzeilen. Im Dezember 2008 versuchten rund 1000 tschechische und slowakische Neonazis, eine vorwiegend von Roma bewohnte Siedlung in Janov, einem Stadtteil der tschechischen Stadt Litvinov zu stürmen. Nachdem Polizeikräfte die Zufahrtsstraßen zu der Siedlung mit einem Räumpanzer blockierten, setzten die gewaltbereiten Angreifer ein Polizeifahrzeug in Brand und lieferten anschließend sich mit den eingesetzten Sicherheitskräften stundenlange Straßenschlachten. Die zunehmenden Attacken in Osteuropa werden begleitet von einer immer aggressiver werdenden Rhetorik der Neonaziszene und rechtsradikaler Politiker. Konsequent werden dabei Angehörige der Roma-Minderheit als Feindbilder aufgebaut, die es zu bekämpfen gilt. Das dahinter liegende Konzept ist einfach: In der Bevölkerung sollen Ängste geschürt und Unterstützer_innen für die eigenen politischen Ziele gewonnen werden.
Ein Vorgehen auf das auch die slowakische Neonaziszene zurückgreift. Am vergangenen Samstag mobilisierten deren Anhänger_innen in die kleine Gemeinde Šarišské Michaľany, im Osten der Republik. Grund für die Versammlung war ein vorangegangener Angriff, der auf einen Rentner -Hauswirt des örtlichen Fussballvereins- verübt wurde. Das Opfer verlor nach der Attacke ein Auge, das ihm aufgrund der schweren Verletzung operativ entfernt wurde. Als mutmaßliche Täter wurden zwei Jugendliche aus dem Nachbarort verdächtigt. Beide Angehörige der Roma-Minderheit. Im Vorjahr wurde bei einem Überfall bereits eine Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft getötet. Über einschlägige Internetseiten die unter anderem der slowakischen Neonaziorganisation »Slovenská pospolitosť« (Slowakische Zusammengehörigkeit oder auch Slowakische Gemeinschaft) zugerechnet werden, mobilisierten daraufhin Neonazis unter dem Motto: »Gegen den Zigeuner-Terror«, zu einer Protestkundgebung am Ort des Geschehens. Auf einer inoffiziellen Internetseite der Organisation hieß es: »Freunde, Slowaken. Lasst uns alles tun, damit ihr euch nach dem Samstag Kämpfer für die Nation nennen könnt«. Auch tschechische Neonazis des »Národní odpor« (Nationaler Widerstand) riefen ihre Anhänger_innen dazu auf in die Nachbarrepublik zu reisen und bewarben die Veranstaltung im Vorfeld aggressiv als »slowakisches Litvinov«.
Die politische Partei »Slovenská pospolitosť« wurde im Jahr 2006 von den slowakischen Behörden verboten. Zuvor agierte die Gruppierung als Bürgervereinigung, welche ebenfalls verboten wurde. Der Oberste Gerichtshof der Slowakei hob das, vom Innenministerium verfügte Verbot der »Bürgervereinigung« allerdings im November 2008 wegen verfahrenstechnischer Mängel auf. Seitdem agiert die Neonaziorganisation wiederum unter dem Rechtsstatus einer Bürgervereinigung. Seit Monaten arbeitet das Innenministerium der Slowakei nun an einem erneuten Verbot der Gruppierung. Die Bedeutung der Organisation ist indes nicht auf die Slowakei beschränkt. Deren Anhänger_innen intensivieren seit Monaten ihre Kontakte ins angrenzende europäische Umland. So veranstaltete die Gruppierung im Zeitraum vom 24. bis 26. Juli ein »Internationales Sommercamp«. Neben Mitglieder der tschechischen Neonazipartei »Dělnická strana« (DS) reisten Neonazis der rumänischen »Noua Dreapta« und der polnischen »Falanga« zu dem Treffen. Auf dem Programm standen neben dem »Austausch von Erfahrungen« auch militärisches Schießtraining. Fotografien die im Zeltlager entstanden, zeigen Neonazis bei Schießübungen mit Kleinkalibergewehren und Pistolen. Ein ähnliches Zeltlager hatte zuletzt im Jahr 2004 im slowakischen Ludrová stattgefunden.
An der nun im slowakischen Šarišské Michaľany stattgefundenen Veranstaltung nahmen nach Behördenangaben rund 300 Neonazis und deren Sympathisant_innen teil. Vor Ort waren abermals Mitglieder der tschechischen »Dělnická strana« (Arbeiterpartei) sowie ungarische Anhänger_innen der Neonaziszene. Ursprünglich planten die Neonazis eine unangemeldete Kundgebung im Ortskern der kleinen Gemeinde durchzuführen. Nachdem dieses durch die Polizei untersagt wurde versammelte sich die Menschenmenge auf dem nahegelegenen Gelände des örtlichen Fußballvereins. Marian Kotleba, Anführer der »Slovenská pospolitosť« erklärte das man so lange im Dorf zu bleiben gedenke, bis sie von einem Regierungsvertreter eine Erklärung bekämen, was die Regierung gegen den »Terror vonseiten der Roma« zu unternehmen beabsichtige. Als Spezialkräfte der Polizei kurze Zeit später sechs Personen, darunter den Rädelsführer Marian Kotleba festnahmen, eskalierte die Situation. Demonstranten warfen Steine auf Polizeibeamte und lieferten sich anschließend eine Straßenschlacht. Die Polizei setzte wiederum Wasserwerfer ein und löste die Kundgebung in der Folge auf.
In Berichten slowakischer Medien wurden anschließend Sympathiebekundungen mit den Aktivitäten der Neonazis laut. »Niemand interessiert sich für unsere Probleme des Zusammenlebens mit der Roma-Gemeinschaft« empörte sich ein Bewohner von Šarišské Michaľany in der Online-Ausgabe der slowakischen Tageszeitung »Sme«. Der slowakische Fernsehsender »TV-Noviny« der ebenfalls über die Vorfälle berichtete kritisierte seinerseits das Vorgehen der Polizei. Die slowakische Roma-Initiative (RIS) forderte die Bevölkerung der Slowakei ihrerseits auf, sich nicht von »Rassen- und ethnischer Intoleranz überwältigen zu lassen«. Im Vorfeld der Kundgebung hatten Vertreter_innen mehrerer Roma-Verbände bereits einen offenen Brief veröffentlicht, in dem die slowakische Regierung und die Europäische Kommission aufgefordert werden, mit Nachdruck gegen die derzeitige Entwicklung vorzugehen: »Ein Mord im benachbarten Ungarn, wo eine Frau - eine Mutter und eine Bürgerin - vor ein paar Tagen ihr Leben verlor, zwingt uns, nicht passiv zu sein und abzuwarten, was passieren wird«.
Quelle: Recherche Nord