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Abkehr von «Abendspaziergängen»

Dezentrale Happenings von Bern bis Solothurn In Bern findet erstmals seit sieben Jahren kein «Antifaschisti-scher Abendspaziergang» statt – stattdessen ruft das linksautonome Bündnis zu 20 lokalen «Aktionen und Happenings», die während zweier Monate in Bern, Biel, Burgdorf und Thun sowie in Solothurn stattfinden.
 
Der gründlich entglittene «7. Antifa-Abendspaziergang» vom April 2006 brachte das vorläufige Aus für diesen Anlass, der alljährlich bis zu 1500 Jugendliche in Berns Gassen lockte: 100 ausscherende Militante lieferten sich eine wüste Strassenschlacht mit der Polizei, eine völlig unnötige wie sinnleere Eskalation, die das organisierende «Bündnis Alle gegen Rechts» (BAgR) in Verlegenheit, weil auch szeneintern in peinliche Isolation stürzte. Dieser Leidensdruck bewirkte aber dann, dass das BAgR endlich über seinen Schatten sprang und von der alten Konfrontationslogik abkam: Den Neuaufbruch markierte im letzten August ein Antifa-Festival mit 3000 Besuchern samt behördlich bewilligtem «Sonntagsspaziergang», an dem 750 Leute, teils Vermummte, völlig gewaltfrei durch Bern zogen.

Jetzt, mit ihrer Kampagne 2007, gehen die Antifas noch wesentlich weiter, um sich mit grundsätzlich neuer Strategie einer breiteren Öffentlichkeit zu öffnen. Wie das von lokalen Antifa-Gruppen im Mittelland gebildete Aktionsbündnis bekanntgab, sind vom 4. Mai bis 7. Juli in fünf Städten nicht weniger als 20 dezentrale «Aktionen und Happenings» geplant – von der klassischen Strassenprotestaktion über Musik- und Kinoanlässe, Vorträge und Diskussionen bis zu Jux im Stil alternativer «Spassguerilla».

Von Bildung bis Bürostuhlrennen

• In Bern finden drei Vorträge über «Rechtsextremismus im Schatten der SVP» (4. 5.) sowie Black-Metal- und Rockmusik «im Spannungsfeld von Satanismus, Heidentum und Neonazismus» (2. und 15. 6.) statt. Zwei Dokumentarfilme beleuchten Nazi-Skinheads (17. und 31. 5.), zwei «Büchertipp»-Abende widmen sich Migration und Sexismus (1. und 22. 6.), und Stadtrundgänge zeigen lokale Berner Aspekte der «Geschichte von Antifaschismus und seinen GegnerInnen» (16. und 29. 6.). Weiter geplant sind in Bern ein «Antifaschistisches Bürostuhlrennen» (9. 6.) und ein Antifa-Kasperlitheater (29. 6.) sowie eine Abschlusskundgebung am 7. Juli.

• In Biel gibts am 25. Mai eine «rot-schwarze kulturpolitische Nacht» mit Konzerten und drei Filmbeiträgen zu Asylpolitik, Antirassismus und Globalisierungskritik.

• In Burgdorf ist für den 11. Mai ein «Wagenkonzert mit guter Musik und interessanten Redebeiträgen» geplant.

• Von Thun aus soll am 23. Juni auf der Aare eine «Antifa-Gummiboot-Demo» nach Bern führen – nachdem 2005 die globalisierungskritische Berner Anti-WTO-Koordination ein vergleichbares Happening durchführte und mit 50 Booten gegen den G8-Gipfel demonstrierte.

• In Solothurn schliesslich findet am 19. Mai ein Fussball-Grümpelturnier («1. Antira-Cup Soletta – Rote Karte dem Rassismus») statt.

Polizei «ins Leere laufen lassen»

Mit diesem «bunten Strauss von lokal organisierten Aktionen» will die Antifa-Bewegung «ein unmiss-verständliches Zeichen setzen» gegen Rassismus und Nationalismus von Rechtsradikalen wie den «eidgenössischen Sozialisten» von der Pnos («Partei National Orientierter Schweizer»), die als Biedermänner aufträten, indes kaum kaschieren könnten, dass sie «HolocaustleugnerInnen, RassistInnen und Naziskins» seien. In der Schweiz hätten etwa ein Zehntel der Jugendlichen direkte Erfahrungen mit Neonazi-Pöbeleien, so das Antifa-Bündnis in seiner Presseverlautbarung. Sodann gelte der Protest dem neuen Asyl- und Ausländerrecht, durch das die humanitäre Tradition zum «leeren Geschwätz» verkomme, und schliesslich gelte es, die SVP zu bekämpfen, die drauf und dran sei, «einen Kulturkampf gegen den Islam zu schüren». Und im Übrigen wolle man mit dem neuen Happening-Konzept dafür sorgen, dass allfällige «martialisch aufgerüstete Polizeiaufgebote ins Leere laufen» würden, so das Bündnis.

Polizeidirektor positiv gestimmt

Berns neuer Sicherheitsdirektor Stephan Hügli (fdp) hat vom Konzept der Antifa-Kampagne 2007 gestern auf Anfrage grundsätzlich mit Genugtuung Kenntnis genommen. «Dass nicht mehr primär auf Provokation abgezielt wird, was ja auch dem Antifaschismus-Anliegen nicht gerecht wurde, weil das Echo stets negativ war, freut mich – und wir sind auf alle Fälle bereit, im Gespräch eine gute Lösung im Sinne aller, auch der Organisatoren, zu finden. Wir stellen uns da jedenfalls nicht im Geringsten quer.»

Quelle:Der Bund, Rudolf Gafner [17.04.07]