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Neonazi-Gewalt: Jeder Zehnte ist betroffen

Rechtsextremistische Aggressionen gibt es primär beim Öffentlichen Verkehr und nachts nach 22 Uhr. Täter und Opfer kennen sich selten. Die Nationalität spielt bei der Frage, ob jemand zum Opfer wird, keine entscheidende Rolle.
 
eder zehnte Jugendliche in der Schweiz erlebt laut einer Studie der Gemeinschaft für Sozialforschung (ecce) einmal rechtsextreme Gewalt oder wird von Rechtsextremen bedroht. Die Nationalität und die politische Haltung der Opfer bilden aber nur in einem Drittel der Fälle das Motiv für die Übergriffe. Rund 10,8 Prozent der Schweizer Jugendlichen erleben während ihres Heranwachsens einmal rechtsextremistische Gewalt oder werden von rechtsextremen Jugendlichen bedroht, wie die Gemeinschaft für Sozialforschung (ecce) am Freitag in Basel bekannt gab. Knapp ein Drittel der Opfer wird dabei wegen ihrer jeweiligen politischen Haltung, ihrer nationalen Zugehörigkeit oder ihrer Ethnie angegriffen.
Laut der Studie, die im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Rechtsextremismus - Ursachen und Gegenmassnahmen» durchgeführt wurde, werden Jugendliche immer wieder auch zufällig Opfer von rechtsextremer Gewalt. So wiesen sie keine Merkmale auf, die den Feindbildern der rechtsextremen Ideologie entsprächen. Weit aus häufiger sind die Opfer in Auseinandersetzungen zwischen Gruppen mit verschiedenem Verhalten und mit mehr oder weniger starkem ideologischem Hintergrund involviert. Dies sind auf der Täterseite rechtsextreme Jugendcliquen und Angehörige der Gruppierungen «Hip-Hopper», «Kiffer» und «Linksalternative» auf der Opferseite, wie die Autoren der Studie bekannt gaben. Dass diese Gruppen häufig Opfer würden, sei unter anderem auf ihr exzessives Freizeitverhalten zurückzuführen. Dazu gehörten der Besuch von Partys und Festen, ein hoher Alkohol- und Drogenkonsum, die Zugehörigkeit zu einer abweichenden Clique sowie die sichtbare Präsenz im öffentlichen Raum.
So fänden rechtsextreme Übergriffe im Gegensatz zu anderen Arten von Gewalt hauptsächlich am Wochenende ab 22.00 Uhr im Bereich des öffentlichen Verkehrs sowie im öffentlichen Raum statt. Die Schule spiele als Tatort keine Rolle. In über 60 Prozent der Fälle ist das städtische Umfeld Schauplatz der Ereignisse. Laut der Studie sind die Konfliktparteien oft etwa gleich gross; bisweilen verschwänden bei solchen Auseinandersetzungen auch die Täter- und Opferrollen.
Eine Untersuchung der Situation der Opfer nach dem Übergriff zeigt, dass die erlebte physische Gewalt mitunter bagatellisiert wird. Zudem toleriere oder ignoriere das weitere Umfeld der Betroffenen sowie die Instanzen der formellen Sozialkontrolle das rechtsextreme Motiv. Dass die Jugendlichen ihre Erlebnisse trotzdem verarbeiten könnten, sei vor allem der Familie und engen Freunden zu verdanken. Fehle ein solcher intakter sozialer Nahraum, werde die Wiederherstellung der psychischen Stabilität allerdings erheblich erschwert.
Rechtsextremistische Gewalt könne bei den Betroffenen posttraumatische und akute Belastungsstörungen hervorrufen, die sich in in Ohnmachtsgefühlen, Wut, Hass, Unverständnis, Rachegelüsten, Hilflosigkeit und vor allem aber in Angst vor einem nochmaligen Erlebnis äussern. Angst hätten die Opfer aber nicht nur vor den Tätern, sondern vor der gesamten Subkultur der Rechtsextremen. Die sozialen Folgen seien Rückzugstendenzen sowie Verhaltens- und Ausdrucksveränderungen.

quelle: 20min