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«Thun hat keine harten Rechten»

Der neue Thuner Polizeichef Hermann E. Jutzi äussert sich zu Neonazis, Demonstrationen, FC-Thun-Fans und zur Politik. Jüngst wurde in Thun ein dunkelhäutiger Schweizer von Rechtsextremen verprügelt. Trotz diesem Vorfall: Thun sei grundsätzlich eine sichere Stadt, findet Hermann E. Jutzi.
 
«Bund»: Seit Januar sind Sie der neue Thuner Polizeichef. Vorher waren Sie Dienstchef der Mobilen Polizei Berner Oberland. Vermissen Sie die Mobilität nicht?
Hermann E. Jutzi: Ich selber war gar nicht so mobil, da ich als Dienstchef mehrheitlich im Büro sass – wie jetzt auch. Zudem habe ich hier eine ganz andere Rolle.

Welches ist denn nun Ihre Rolle?
Ich bin für einen reibungslosen Polizeibetrieb verantwortlich. Speziell an meiner neuen Aufgabe ist, dass ich regelmässigen Kontakt zu den Thuner Behörden haben werde – die Stadt kauft die polizeilichen Leistungen ja bekanntlich beim Kanton ein. Im Übrigen werde ich nicht immer nur im Büro sitzen, sondern auch nach draussen an die Front gehen.

Wann trifft man den Thuner Polizeichef denn an der Front an?
Wenn ich sehen will, was läuft. Ich bin noch daran, mich einzuarbeiten, und kenne die spezifischen Eigenschaften von Thun noch nicht genügend. Es dauert eine Weile, bis man den Puls einer Stadt spürt. Kürzlich beispielsweise sah ich mir einen FC-Thun-Match aus polizeilicher Sicht an.

Haben Sie dabei auf die FC-Thun-Fans ein Auge geworfen?
Auch, ja. Wie überall gibt es auch bei den FC-Thun-Fans einige, die manchmal überborden und die Situation ausnützen, um Radau zu machen. Wir versuchen im Bild zu sein über mögliche einschlägige Fangruppierungen. Grundsätzlich ist der FC-Thun-Fan aber fair.

Ihr Vorgänger Erwin Rohrbach war Jurist, Sie haben das Polizeihandwerk von der Pike auf gelernt. Welchen Einfluss hat dieser Umstand auf Ihre Führungsarbeit?
Ich kenne vielleicht die Kernaufgaben und Abläufe bereits etwas besser als jemand, der als Quereinsteiger bei der Polizei eine Führungsposition übernimmt. Ich werde aber den Betrieb nicht auf den Kopf stellen, mein Vorgänger hat sehr gute Arbeit geleistet. Persönlich ist mir eine gute Gesprächskultur wichtig. Ausserdem will ich, dass meine Leute korrekt auftreten.

Kaum hatten Sie Ihren Dienst im Januar angetreten, wurden Sie schon mit einem Fall konfrontiert, der in Thun für Aufregung sorgte: Ein dunkelhäutiger Schweizer ist im Ausgang von Rechtsextremen massiv verprügelt worden. Hat man in der Stadt Thun ein Problem mit Rechtsextremen?
Die Problematik ist sicher latent vorhanden, sollte aber nicht überbewertet werden. Wir spielen den Fall nicht etwa herunter. Wir sind daran, ihn aufzuklären. Seit eineinhalb Jahren hatten wir aber keinen solchen Vorfall mehr – zumindest wurde uns keiner gemeldet.

Dann gibt es in Thun also keine Neonaziszene?
Es gibt in Thun Leute, die in der Kleidung Rechtsextremer herumspazieren. Wie sehr sie aber von der Ideologie her wirklich Neonazis sind oder nur Sympathisanten, ist sehr schwierig abzuschätzen. Persönlich glaube ich nicht, dass wir es in Thun mit wirklich harten Rechten zu tun haben. Ich habe eher das Gefühl, sie wissen gar nicht richtig, was sie in ihrem Aufzug eigentlich verkörpern und in den Köpfen anderer Leute auslösen.

Mit ihrer Prügelaktion haben die Neonazis in den Köpfen vieler Thuner vor allem eins ausgelöst: nämlich die Frage, ob man sich in Thun noch sicher fühlen kann.
Man kann sich in dieser Stadt sehr sicher fühlen. Thun steht sicherheitsmässig nicht schlechter da als eine andere Stadt dieser Grösse.

Ihr Vorgänger war Mitglied der SP. In welcher Partei sind Sie?
Ich bin in keiner Partei Mitglied.

Weshalb nicht?
Ich bin politisch nicht uninteressiert, aber die ideale Partei für mich existiert nicht.

Wo ordnen Sie sich politisch ein?
In der Mitte irgendwo. Je nach politischer Vorlage ziehts mich mehr auf die eine oder andere Seite.

Erwin Rohrbach wurde seine Mitgliedschaft bei der SP in der Vergangenheit zum Vorwurf gemacht: Als er mit dem damaligen SP-Gemeinderat und Polizeivorsteher Heinz Leuenberger bei den Antifa-Abendspaziergängen aus polizeitaktischen Überlegungen mitmarschierte, ärgerten sich viele Thuner über dieses Mitmarschieren der «linken Polizeichefs». Werden Sie bei Demonstrationen auch mitmarschieren?
Demonstrieren ist ein Grundrecht, das man wahrnehmen darf und soll. Sofern die Demonstration bewilligt ist. Wenn eine Demonstration aber ausartet, haben wir als Polizei den Auftrag, einzuschreiten und Sachbeschädigungen zu verhindern beziehungsweise die Täter zu fassen. Mitmarschieren kann auch eine Polizeitaktik sein, die nicht schlecht sein muss. Zum Beispiel, weil man mit den Organisatoren in Kontakt sein will. Wie meine Taktik aussehen wird, kann ich nun aber wirklich noch nicht sagen. Dies wird ganz auf die Art der Demonstration ankommen. Sich im Voraus festzulegen, ist unmöglich.

Noch immer läuft in Thun die Aktion Marathon – die Wegweisung Drogensüchtiger aus bestimmten Perimetern der Innenstadt. Wie viel Zeit in der gesamten Polizeiarbeit beansprucht die Aktion eigentlich?
Im Moment ist es – jahreszeitenbedingt – ziemlich ruhig. Die Aktion zeigte Erfolg, wir konnten ziemlich zurückfahren mit unseren Einsätzen. Zurzeit wird die Aktion
«Demonstrieren ist ein Grundrecht, das man wahrnehmen darf und soll.»
Marathon innerhalb der so genannten Grundversorgung abgewickelt. Das heisst, die Innenstadtpatrouillen erledigen diese Aufgabe auf ihren Rundgängen.

In Steffisburg wurde im vergangenen Jahr ein Mädchen von männlichen Jugendlichen vergewaltigt. Ist das ein Einzelfall, oder gibt es in der Region Thun ähnliche Fälle von Jugendgewalt?
Der Steffisburger Fall ist zum Glück ein Einzelfall. Es gibt allerdings oft Meinungsverschiedenheiten zwischen Jugendlichen – aber die hat es schon immer gegeben. Häufig bleibt es heutzutage indes nicht bei verbalen Attacken. Man geht viel aggressiver aufeinander los. Das gilt aber nicht nur für die Jugendlichen in der Region Thun. Wir versuchen auch der Prävention Platz einzuräumen, indem Fachleute unserer Präventionsabteilung an die Schulen gehen und mit den Lehrern und Schülern zum Thema Gewalt arbeiten. Einer unserer Leute ist hundertprozentig nur für Präventionsarbeit im Berner Oberland zuständig. Und er wird, unterstützt durch die Supporter in den Amtsbezirken, noch viel Arbeit zu leisten haben.