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Lautstark #12

Schweizer Hammerskins: Rassistische Bruderschaft mit elitärem Selbstverständnis

Die Hammerskins sind neben Blood & Honour die wohl bekannteste und berüchtigtste rechtsextreme Skinheadorganisation. Die Gruppierung vermeidet jeglichen Kontakt zur Öffentlichkeit, weshalb ihre Struktur, Akteure und Ideologie im Dunkeln bleiben. Sind sie ein elitärer Geheimbund von RassistInnen oder eine prügelnde Skinheadgang? Wahrscheinlich beides! Ein Porträt von Organisation und ExponentInnen soll die Schweizer Hammerskins kalkulierbarer machen.
 
Bewegung der Mittdreissiger

Schweizer Hammerskins: Rassistische Bruderschaft mit elitärem Selbstverständnis

Die Hammerskins sind neben Blood & Honour die wohl bekannteste und berüchtigtste rechtsextreme Skinheadorganisation. Die Gruppierung vermeidet jeglichen Kontakt zur Öffentlichkeit, weshalb ihre Struktur, Akteure und Ideologie im Dunkeln bleiben. Sind sie ein elitärer Geheimbund von RassistInnen oder eine prügelnde Skinheadgang? Wahrscheinlich beides! Ein Porträt von Organisation und ExponentInnen soll die Schweizer Hammerskins kalkulierbarer machen.

«Retter der weissen Rasse»

Die offizielle Geschichte der Schweizer Hammerskins (SHS) beginnt im Sommer 1990 mit der Gründung des Schweizer «Chapters», bei welcher der Innerschweizer Patrick Iten massgeblich beteiligt ist. Kontakte in die USA und das Bedürfnis, frischen Wind in die Neonazi-Skinhead-Szene zu bringen, führen zum Schweizer Anschluss an die «Hammerskin Nation » (siehe Artikel, S. 2). Die Mitglieder der Hammerskins verstehen und bezeichnen sich gegenseitig als «Brüder» und «Verfechter der ‚14 words’»: Die Formel ist ein aus vierzehn Wörtern bestehendes Zitat des US-amerikanischen Neonazis David Lane, das den Schutz der «weissen Rasse» fordert.

Die Hammerskins schotten sich nach aussen ab und halten das Prinzip der Gruppenzusammengehörigkeit hoch, das vor allem durch ihr elitäres Selbstverständnis geschaffen wird. Die Hammerskins verstehen sich selber als Auslese der rechtsextremen Skinheads – als eine Art Elite- Kampftruppe. Ihre Organisationsstruktur besteht aus strikten Regeln, die zur Abgrenzung gegenüber allen Anderen, gerade auch innerhalb der rechtsextremen Szene, dienen sollen.

Ein Veteranenverein …

Auffällig an der heutigen Belegschaft der SHS sind die vielen altbekannten Gesichter: Von den Hammerskins kommt man ganz offensichtlich schlecht wieder los. Etliche Mitglieder bewegen sich bereits seit 10 bis 15 Jahren im Umfeld der Gruppierung und haben mittlerweile einiges an Erfahrungen, sowohl in der Politszene als auch mit der Justiz sammeln können. Zu den alten Hasen gehören Gary Albisser (Littau LU), Adrian Segessenmann (Kirchberg BE), Patrick Erni (St. Gallen), Marcel Hufschmid (Dielsdorf ZH) und Thomas Wermelinger (Sempach LU), um nur einige bekanntere Namen zu nennen. Diese Hammerskin-Urgesteine widerlegen die viel zitierte These, dass Rechtsextremismus ein Phänomen der jugendlichen Heisssporne sei, das sich mit den Jahren von selbst abkühle. Neben greisen Holocaustleugnern und gutbürgerlichen StammtischrassistInnen im Rentneralter gibt es heute auch die Naziskinhead-Bewegung der Mittdreissiger. Ihrer bevorstehenden Midlife-Krise blicken wir mit Unbehagen entgegen.

… mit neuen Anwärtern

Um die «Auslese der Besten» zu gewährleisten, wird zur Selektion von zukünftigen Mitgliedern Anfang der 1990er-Jahre die «Schweizer Hammerskins Aufbauorganisation» (SHS/AO) gegründet – führender Kopf der Nachwuchsrekrutierung: Pascal Lobsiger. AnwärterInnen, so genannte «Prospect of the Nation» (POTN) müssen sich für eine definitive Aufnahme ein Jahr lang bewähren. «Kampf für Rasse und Nation» heisst der zentrale Slogan. Eine Aufbauarbeit, die bald Früchte trägt: Im September 1995 überfallen Hammerskins, ExponentInnen der Aufbauorganisation sowie Mitglieder von ihnen nahe stehenden Nazicliquen ein antifaschistisches Konzert in Hochdorf bei Luzern und verletzten mehrere FestbesucherInnen – auch schlagen sie das Mobiliar kurz und klein. Eine Aktion, die nicht ohne Konsequenzen für die vermummten Angreifer bleibt: Es kommt zu über sechzig Verhaftungen, reihenweise Hausdurchsuchungen und anschliessenden Strafverfahren. Die Strukturen der Hammerskin- Bewegung sind offen gelegt, was sie über Monate lähmt und in ihren Organisierungsbestrebungen hemmt. Mehrere Exponenten distanzieren sich gar von der Szene. Einige Mitglieder jedoch beginnen mit der Neustrukturierung der SHS, in deren Rahmen beispielsweise auch das Hammerskin-Blatt «Hammer» wiederbelebt wird. Ob auch die Aufbauorganisation gleich wieder aus der Versenkung auftaucht, entzieht sich unserer Kenntnis. Sicher ist, dass es den Hammerskin-Nachwuchs heute wieder gibt: So muss sich momentan beispielsweise Benjamin Rothenbühler aus dem aargauischen Beinwil am See als Hammerskin-Anwärter unter dem POTN-Status beweisen. Zumindest in Sachen Gewaltbereitschaft hat er sich bereits vor zwei Jahren empfohlen: Rotenbühler hat sich am Überfall auf eine antirassistische Demonstration in Willisau LU beteiligt.

Mit der Justiz auf Kriegsfuss

Ein wichtiges Agitationsfeld der Hammerskins sind Partys und Konzerte, wo Kontakte geknüpft, politische Kampfkassen gefüllt und Geselligkeit gepflegt werden können. Die SHS hat eine Vielzahl von Konzerten organisiert und musiziert teilweise selbst ganz gerne. Die Luzerner Nazi-Rock-Band «Dissens» um den Sänger Gary Albisser hat schon etliche Auftritte an Neonazikonzerten im In- und Ausland absolviert. Das letzte grössere, uns bekannte, SHSKonzert ging am 5. Juli 2005 an einem Waldrand bei Ammerzwil BE über die Bühne. Aufgespielt zum 15-jährigen Jubiläum der SHS haben damals die einschlägig bekannten, rechtsextremen Rock-Bands Blitzkrieg (D), Hatemachine (USA), English Rose (GB), Civico 88 (I) und Indiziert aus der Schweiz.

Das durch die Konzerte und den Verkauf von CDs eingenommene Geld soll nach Auffassung der Hammerskins in der Szene bleiben. Um dies zu gewährleisten, verfügen die Hammerskins über eine internes Hilfswerk namens «Crew38» (C38), das seinen Mitgliedern bei Problemen mit der Justiz finanziell unter die Arme greift (vgl. dazu den Artikel auf S. 3). Thomas Wermelinger betreut das Postfach der C38 in Sempach-Station, welches auch von der rechtsextremen Gruppierung «Morgenstern» (MS) mitbenutzt wird.

Dass verurteilte Mitglieder unterstützt werden, liegt bei den SHSlern auf der Hand – Konflikte mit dem Gesetz gehören zum Hammerskin- Alltag: Auf ihrem Kreuzzug gegen AusländerInnen, Linke, Drogensüchtige, Homosexuelle, das System, den Kapitalismus und viele Feinde mehr schrecken sie auch vor Gewalt nicht zurück. Viele Hammerskins sind bereits mehrmals verurteilt worden – teilweise Gefängnisaufenthalte inklusive.

Der langjährige Hammerskin und Kopf der Nationalen Offensive (NO), Adrian Segessenmann, etwa hat sich an der Hochdorf-Aktion 1995 beteiligt, ist als Organisator von Referaten mit rassistischen Inhalten aufgetreten und hat sich im nächsten Umfeld der beiden Berner Sprengkörper- Bastler Patrick Zahnd und Markus Rüfli – das Hammerskin- Mitglied wohnt heute in Hombrechtikon ZH – bewegt, die im Mai 2000 aufgeflogen sind. Zurzeit ist Segessenmann der Inhaber der Domain «hammerskin.ch», auch betreibt er von Aefligen aus den «nationalen Buchversand Neue Zeitenwende». Umstände, die ihn nicht daran hindern, sich am 21. Juni 2006 in einem Leserbrief an die «Aemme- Zytig/Burgdorfer Tagblatt» im Namen der «Freien Kräfte Burgdorf» (FKB) über unfaire Berichterstattung zu beklagen – zum Beispiel über die Flugblattaktion der FKB, welche als Reaktion auf den Neonazi-Übergriff in der Burgdorfer Oberstadt lanciert worden ist. Sein Vorwurf an die ZeitungsmacherInnen: Einseitige Hetze gegen Rechte.

Auch als Parteiaktivisten unterwegs

Die Hammerskins verfügen über enge Kontakte in der Neonazi-Szene, die nicht nur in den Skinhead- und Nazi-Rock-Bereich, sondern auch in die rechtsextreme und rechtspopulistische Parteienlandschaft hineinreichen. So fallen personelle Überschneidungen der Hammerskins mit der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) auf – ursprünglich ein Kind der Organisation Blood & Honour. Drei Beispiele: Der Hammerskin Markus Martig (Alchenflüh BE) etwa hat das in der Zwischenzeit aufgelöste PNOS-Postfach der Sektion Bern betreut und als «Festredner» an der Langenthaler 1.-Mai-Demo der PNOS 2004 fungiert. Mittlerweile hat er sich aus der PNOS zurückgezogen. Pascal Vogel aus Oberentfelden AG, momentan mit POTNStatus, hat seine ersten rechtsextremen Gehversuche in der Politschmiede der «eidgenössischen Sozialisten» gemacht. Der Elektromonteur hat 2004 für die PNOS in Oberkulm kandidiert und dabei über 18 Prozent der Stimmen eingefahren, womit er nur knapp den Einzug in die Dorfregierung verpasst hat. Auch Adrian Segessenmann ist PNOS-Mitglied – und Schreiberling in der PNOS-Postille «Zeitgeist».

Die Schweizer Demokraten scheinen ebenfalls für einige junge Parteimitglieder das Sprungbrett für eine Hammerskin-Karriere gewesen zu sein: Der Hammerskin Rafael Hernandez aus Berikon ist ehemaliges Mitglied der Jungen Schweizer Demokraten (JSD). Er betreibt heute den rechten Szenenladen «London 66» in Dietikon und ist Inhaber der Internet-Domain «thorsteinar.ch» – «Thor Steinar» ist eine neonazistische Bekleidungsmarke aus dem deutschen Bundesland Brandenburg. Ein weiterer SHS-Exponent und ehemaliges Mitglied der SD ist Pascal Zarkan aus Gossau SG. Zarkan ist ein Hammerskin der ersten Stunde: Bereits 1995 hat er sich als Teilnehmer der «Blocher-Demo» in Zürich und des Hochdorf-Überfalls negativ in Szene gesetzt.

Den Zenit überschritten

In den letzten Jahren – zumindest seit dem «Hammerfest» mit rund 1000 TeilnehmerInnen in Affoltern am Albis 2002 – ist es um die Schweizer Hammerskins eher still geworden. Andere rechtsextreme Gruppierungen und Organisationen – Blood & Honour, die PNOS – haben ihnen, den selbst ernannten «Rettern der weissen Rasse», in der Öffentlichkeit längst den Rang abgelaufen. Das Schweizer «Chapter» der «Hammerskin Nation» ist zur verschworenen Gemeinschaft einiger Dutzend Langzeit-Aktivisten geschrumpft. Nach wie vor ist die SHS aber fähig, Konzerte und Partys zu veranstalten.

Antifa Bern