Allmendstrasse 12, Thun

Kolumne von Heinrich Gartentor, TT 21.05.2005


 
Kennen Sie die Thuner Allmendstrasse? Mokka (Allmendstrasse 14), Alpenrösli (16), bis vor kurzem das Ausländerhaus (10), das Betreibungsamt, die Steuerverwaltung, die Pilzkontrollstelle, der Kinderhort. Als ehemaliger Längenbühler und Waldspaziergänger habe ich die Strasse vor allem via Pilzkontrollstelle kennen gelernt.
Ganz klein waren sie diese Woche, die Meldungen über die temporäre Besetzung der Allmendstrasse 12. Die «Platzkratzer» hatten im Keller eine Party gefeiert und das Haus in sauberem Zustand zurückgelassen. Es war wieder mal ein Ruf nach einem autonomen Jugendzentrum, angekommen ist er nirgendwo – und er wird auch nie ankommen, wenn es keinen Krawall gibt. Das ist himmeltraurig, aber wohl normal. Ohne Holzhammermethode scheint man leider nichts mehr bewirken zu können in der heutigen Zeit.
Es ist wie beim Kolumnenschreiben: Schreibe ich lieb, klopfen mir die Leute auf die Schulter und sagen: «Hast schon Recht», aber geschehen tut nichts. Dr. Berger zum Beispiel hat als Verantwortlicher für die Website des Wirtschaftsraumes Thun (www.wrt.ch) auch vier Monate nach meiner Kritik keine Korrekturen vornehmen lassen. Aussitzen heisst die Devise: Was der Kolumnist heute schreibt, ist morgen veraltet und übermorgen vergessen. Herr Dr. Berger, schreiben Sie doch wenigstens «Schlosbergschule» mit Doppel-s, dann will ich in Zukunft schweigen. Herr Dr. Berger, das war auch die Holzhammermethode, aber vielleicht nützt es diesmal.
Die Stadt will das Haus an der Allmendstrasse 12 verkaufen. Das Haus «eignet sich als Bürohaus, in welchem auch Praxen eingerichtet werden können». Da es an der Allmendstrasse meist sehr streng nach Fondue riecht, kann davon ausgegangen werden, dass dort niemand eine Praxis eröffnen und niemand ein Büro einrichten wird. Das Haus wird zum Tiefstpreis verkitscht werden müssen, und ich wette, dass es an jemanden geht, der damit spekuliert, dass die Fonduefabrik abwandert (was schon heute gemunkelt wird), oder an die Investoren der Selve-Überbauung, welchen das Haus bestimmt nicht schlecht in den Kram passt, zerschneidet doch ein Weg zum Haus ihr Gelände. Ist das Haus mal verkauft, wird es nicht mehr lange dauern, bis laut die Frage gestellt wird, ob denn das «Mokka» nicht auch an einem anderen Ort existieren könne. Und so weiter.
Es ist höchste Zeit, die Verkaufsnotbremse zu ziehen und zuerst ein Konzept zu erstellen über ein grundsätzliches Wie-Weiter-an-der-Allmendstrasse. Wird geschlafen wie bisher, wird das nur zur Radikalisierung der Jungen führen, und die Polizei wird wohl dann ausbaden gehen sollen, was die Stadt verschläft. Doch so weit muss man es gar nicht kommen lassen. Bindet sie ein in die Zukunft der Stadt, die «Platzkratzer», die «Raumfänger» und wie sie alle heissen, gebt ihnen Verantwortung!
Denkt zurück an die Mühle und die Achtzigerjahre: Die Leute, die in diesem selbstverwalteten Raum verkehrten, sind längst etabliert und mitunter zu Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Wirtschaft, Kultur und Politik gewordern. Würde man eine Milchbüechlirechnung anstellen über das Mühleexperiment, dann dürfte die Stadt getrost sagen: Das war wohl eines der wenigen Projekte, das mehr Geld eingebracht hat, als es jemals kostete.